Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 374
Lebt der Schuldner mit weiteren Personen in einer Bedarfsgemeinschaft oder gewährt er anderen Personen aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen Unterhalt, so berücksichtigt § 850k Abs. 1 ZPO den notwendigen Unterhaltsbedarf nicht hinreichend. Deshalb wird der Freibetrag nach § 850k Abs. 1 ZPO um die Freibeträge nach § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO erhöht. Für die erste unterhaltsberechtigte Person erhöht sich damit der Freibetrag um 561,43 EUR monatlich, für die zweite bis fünfte unterhaltsberechtigte Person um jeweils weitere 312,78 EUR monatlich.
Rz. 375
Festzustellen ist also jeweils die Zahl der unterhaltsberechtigten Personen. Hat dies nach altem Recht noch das Vollstreckungsgericht übernommen, obliegt diese Aufgabe nunmehr dem Kreditinstitut, aufgrund einer von dem Schuldner vorzulegenden Bescheinigung. Nach § 850k Abs. 5 S. 2 ZPO sind der Arbeitgeber, die Familienkasse, die Sozialleistungsträger oder eine geeignete Person oder Stelle im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO berechtigt, solche Bescheinigungen auszustellen.
Rz. 376
Hinweis
Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatungen hat sich mit der Deutschen Kreditwirtschaft (früher Zentraler Kreditausschuss – ZKA) über ein Muster einer solchen Bescheinigung verständigt. In der Praxis wird vielfach auf dieses Muster zurückgegriffen.
Rz. 377
Rz. 378
Für den Gläubiger besteht die Problematik darin, von der Vorlage einer solchen Bescheinigung durch den Schuldner beim Kreditinstitut überhaupt Erkenntnis zu erlangen. § 840 ZPO sieht insoweit eine Auskunftspflicht der Bank nicht vor. Der Schuldner hat zwar nach § 836 Abs. 3 ZPO eine entsprechende Auskunftspflicht, wird in der Praxis aber nicht in der Lage sein die Bescheinigung nach dieser Norm auch an den Gläubiger herauszugeben, da er regelmäßig kein Duplikat fertigen wird und das Original dem Kreditinstitut zu übergeben ist. Ungeachtet dessen hat der BGH bestätigt, dass der Schuldner verpflichtet ist, die Bescheinigung herauszugeben und dies auch als Verpflichtung in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mit aufgenommen werden kann.
Rz. 379
Hinweis
Die Kenntnis vom Inhalt der Bescheinigung ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil der Gläubiger nach § 850k Abs. 4 ZPO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO den Antrag auf Nichtberücksichtigung einer unterhaltsberechtigten Person stellen kann, wenn diese über eigene auskömmliche Einkünfte verfügt. Wie schon bei der Pfändung des Arbeitseinkommens, muss der Gläubiger sein Informationsmanagement also nicht nur auf den Schuldner, sondern auch auf ihm gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen ausdehnen. Welche unterhaltsberechtigten Personen überhaupt berücksichtigt werden, kann der Gläubiger aber nur erkennen, wenn ihm die Bescheinigung überlassen wird.
Rz. 380
Wie schon bei § 850c ZPO und der Pfändung von Arbeitseinkommen, ist es auch bei 850k Abs. 2 ZPO nicht ausreichend, dass der Schuldner dritten Personen gegenüber gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist. Der weitergehende Pfändungsfreibetrag darf nur bewilligt werden, wenn der Schuldner seiner Unterhaltspflicht auch tatsächlich – zumindest teilweise – nachkommt. Nicht geklärt ist, ob die Prüfung schon bei der Ausstellung der Bescheinigung vom Arbeitgeber, der Familienkasse, dem Sozialleistungsträger oder dem Schuldnerberater bzw. der Schuldnerberatung obliegt, ob der Sachverhalt vom Kreditinstitut aufzuklären ist oder die mangelnde Unterhaltsgewährung nur dann Berücksichtigung findet, wenn der Gläubiger sie nach § 850k Abs. 4 ZPO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO einwendet. Trotz der sich stellenden Haftungsfragen hat die Rechtsprechung diese Frage bisher nicht geklärt. Nach § 850 Abs. 5 S. 3 ZPO wird das Kreditinstitut von seiner Leistungsverpflichtung gegenüber dem Gläubiger und dem Schuldner nur dann frei, wenn ihm die Unrichtigkeit einer Bescheinigung weder bekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit ungut bekannt gegeben ist. Es ist zu sehen, dass das Kreditinstitut möglicherweise Kenntnis über eigenes Einkommen des Unterhaltsberechtigten oder die mangelnde Leistung des Unterhaltes aus der eigenen Geschäftsbeziehung mit der unterhaltsberechtigten Person hat.
Rz. 381
Von den Kreditinstituten wird vorbehaltlich einer gerichtlichen Klärung zu erwarten sein, dass diese gemäß den Empfehlungen im Leitfaden der Deutschen Kreditwirtschaft folgend keine Bescheinigungen akzeptieren, die älter sind als drei Monate. Diese Frist erscheint allerdings schon sehr lang, weil sich der Bestand von Arbeitsverhältnissen ebenso wie der Bewilligungszeitraum von Sozialleistungen monatlich ändern kann. Eine Frist von höchstens einem Monat erscheint deshalb völlig ausreichend und korrespondiert mit anderen Fristen, etwa, wenn der Gläubiger eine Meldebescheinigung i.S.d. § 755 Abs. 1 ZPO dem Gerichtsvollzieher vorlegen soll. Die Frage, wie lange die Bescheinigung akzeptiert werden kann, wird von dem Kreditinstitut im Einzelfall zu entscheiden sein. Dabei ist maßgeblich, wann mit einer Veränderung gerechnet werden muss, etwa weil Ki...