Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 861
Dem Schuldner bietet § 851b ZPO eine Möglichkeit, einen Antrag auf Vollstreckungsschutz zu stellen.
Rz. 862
Gem. § 851b ZPO ist die Pfändung von Miete und Pacht auf Antrag des Schuldners vom Vollstreckungsgericht insoweit aufzuheben, als diese als Einkünfte für den Schuldner
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zur laufenden Unterhaltung des Grundstücks, |
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zur Vornahme notwendiger Instandsetzungsarbeiten und |
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zur Befriedigung von Ansprüchen unentbehrlich sind, die bei einer Zwangsvollstreckung in das Grundstück dem Anspruch des Gläubigers nach § 10 ZVG vorgehen würden. |
Rz. 863
Aus Sicht des Gläubigers sind wesentliche Gesichtspunkte beachtlich:
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Der Pfändungsschutz gem. § 851b ZPO ist nicht als gesetzlicher "Automatismus" etabliert, es bedarf stets zunächst eines Schuldnerantrags. Der Gläubiger kann die Vorschrift also bei dem Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unbeachtet lassen. |
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Im Fall des Pfändungsschutzantrags des Schuldners besteht an Anspruch auf rechtliches Gehör des Gläubigers, soweit dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist, § 851b Abs. 4 ZPO. |
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Der Schuldner muss den Pfändungsschutzantrag mit laufenden, notwendigen oder unentbehrlichen Aufwendungen begründen, sodass nur ein bedingter Gestaltungsspielraum verbleibt. Dem Schuldner obliegt die Darlegung, Voraussetzung des Pfändungsschutzes ist zudem, dass dem Schuldner neben den Miet- und Pachteinnahmen keine anderen Mittel zur Verfügung stehen, um die Unterhaltung, Instandsetzung oder Befriedigung vorrangiger dinglicher Gläubiger zu bewirken. |
Rz. 864
Hinweis
Die Glaubhaftmachung der Voraussetzungen des § 851b ZPO wird dem Schuldner dann und insoweit schwerfallen, wenn er Nebenkostenvorauszahlungen vom Mieter erhält. Diese stehen ihm insbesondere für die umlagefähigen Belastungen als Teil der laufenden Unterhaltung zur Verfügung.
Rz. 865
Der Pfändungsschutz des § 851b ZPO gilt nur für den Grundstückseigentümer als Vermieter bzw. dann, wenn er eine Stellung innehat, aufgrund derer ihm das Tragen der Grundstücklasten obliegt (z.B. Nießbraucher).
Rz. 866
Tipp
Ist der Schuldner selbst Mieter und zeitgleich Untervermieter, bleibt der Antrag des Schuldners nach § 851b BGB ohne Erfolg, wenn der Gläubiger in die Mietforderung aus dem Untermietverhältnis vollstreckt.
Rz. 867
Der Pfändungsschutz kann nur so weit gehen, wie die Mieteinnahmen zum tatsächlichen Ausgleich der in § 851b ZPO aufgeführten Forderungen benötigt werden. Regelmäßig wird also nur ein fester Betrag als Teil der Miete als unpfändbar gelten dürfen.
Rz. 868
Eine weitere, vom Vollstreckungsobjekt unabhängige Vollstreckungsschutzmöglichkeit bietet § 765a ZPO. § 765a ZPO ermöglicht den Schutz gegen Vollstreckungsmaßnahmen, die wegen ganz besonderer Umstände eine Härte für den Schuldner bedeuten, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Diese Vorschrift ist als Ausnahmevorschrift deshalb eng auszulegen. Anzuwenden ist § 765a ZPO nur dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis führen würde. Der Gesetzgeber hat mit der restriktiven Fassung der Vorschrift klarstellen wollen, dass nicht jede Vollstreckungsmaßnahme, die für den Schuldner eine unbillige Härte bedeutet, die Anwendung der Härteklausel rechtfertigt. Die Vollstreckung soll erst an der Grenze der Sittenwidrigkeit haltmachen.
Vor diesem Hintergrund sind kaum Fälle denkbar, in denen die Vollstreckung in Mietzinsforderungen eine sittenwidrige Härte darstellt. Bedeutung hat § 765a ZPO wesentlich im Rahmen der Räumungsvollstreckung. Der BGH hat klargestellt, dass die Notwendigkeit bei der Pfändung von Mieten und Pachten Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu müssen, nicht ausreicht, um eine sittenwidrige Härte zu begründen. Im Rahmen der Prüfung von § 765a ZPO ist immer auch die gesetzgeberische Wertentscheidung zu berücksichtigen, Forderungen aus dem Mietverhältnis über § 851b ZPO hinaus keinem besonderen Pfändungsschutz zu unterstellen.
Rz. 869
Hinweis
Mieter = Vollstreckungsschuldner: Allein der Umstand, dass der Mieter ein Mietkautionsguthaben zur Rückzahlung eines Darlehens benötigt, das ihm zur Finanzierung der Mietsicherheit für ein neues Mietverhältnis gewährt worden ist, begründet keine sittenwidrige Härte i.S.d. § 765a ZPO.