Dr. iur. Pierre Plottek, Malte Masloff
I. Allgemeines
Rz. 26
Die Annahme- oder Ausschlagungserklärung kann gem. § 1954 BGB nach den allg. Anfechtungsgründen der §§ 119 ff. BGB angefochten werden. Damit ist die Anfechtung wegen Inhalts- und Eigenschaftsirrtum, wegen falscher Übermittlung oder wegen Täuschung oder Drohung eröffnet. Im Einzelfall ist die Abgrenzung zu unbeachtlichen Motiv- oder Rechtsirrtümern problematisch und streitig. Jedenfalls ist die stillschweigende Annahme der Erbschaft in Unkenntnis des Ausschlagungsrechtes als Inhaltsirrtum nach § 119 Abs. 1 BGB anfechtbar. Dagegen soll die ausdrückliche Annahme im Irrtum über das Bestehen des Ausschlagungsrechtes unbeachtlicher Rechtsirrtum sein. In der Praxis verbreitet ist der Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses. Nach der h.M. soll in diesen Fällen die Annahme jedoch nur dann nach § 119 Abs. 2 BGB anfechtbar sein, wenn sich der Irrtum auf die wertbildenden Faktoren und auf die Zugehörigkeit von Nachlassgegenständen oder Nachlassverbindlichkeiten zum Nachlass bezog. Nicht ausreichend ist insoweit ein Irrtum bei der Bewertung der Nachlassgegenstände. Der Irrtum des Ausschlagenden über die Entstehung von Pflichtteilsansprüchen wird in Rspr. und Lit. unterschiedlich beurteilt, die wohl h.M. sieht hierin mittlerweile einen beachtlichen Inhaltsirrtum.
Praxishinweis
Der Irrtum muss für die anzufechtende Erklärung ursächlich gewesen sein (Kausalität). Bei Anfechtung der (stillschweigenden) Annahme gilt: Im Zeitpunkt des Ablaufes der Ausschlagungsfrist hätte der Anfechtungsberechtigte in Kenntnis der wirklichen Sachlage die Ausschlagung erklären müssen.
Rz. 27
Die Sonderregelung des § 1956 BGB eröffnet darüber hinaus die Anfechtung der gesetzlich fingierten Annahme durch Verstreichen der Ausschlagungsfrist nach § 1943 BGB. Allerdings muss auch insoweit ein Anfechtungsgrund nach §§ 119, 120, 123 BGB vorliegen. Dagegen muss der Erbe bei einem Irrtum über den Berufungsgrund (zum Tatbestandsmerkmal siehe Rdn 18) die Erklärung der Annahme gar nicht anfechten, vielmehr gilt in diesem Fall die Annahme als nicht erfolgt (§ 1949 BGB).
Rz. 28
Für den Pflichtteilsberechtigten gewährt § 2308 Abs. 1 BGB darüber hinaus einen weiteren Anfechtungsgrund für die Anfechtung der Ausschlagung eines Vermächtnisses oder Erbteils. Nämlich dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte keine Kenntnis davon hatte, dass Beschränkungen oder Beschwerungen zwischen Anfall der Zuwendung und Erklärung der Ausschlagung weggefallen waren. Dabei geht die h.M. davon aus, dass auch der mit ex tunc Wirkung eintretende nachträgliche Wegfall einer Beschwerung oder Belastung – etwa im Zuge der Testamentsanfechtung – die Anfechtung nach § 2308 Abs. 1 BGB eröffnet. Nach § 2308 Abs. 2 BGB erfolgt die Anfechtungserklärung insoweit analog der Vorschriften der §§ 1954, 1955, 1945 BGB, wobei die Erklärung im Falle der Anfechtung der Vermächtnisausschlagung gem. § 2308 Abs. 2 S. 2 BGB nicht gegenüber dem Nachlassgericht, sondern gegenüber dem Beschwerten selbst zu erfolgen hat.
II. Zeitpunkt der Anfechtung
Rz. 29
Die Anfechtung von Annahme oder Ausschlagung ist abweichend von §§ 121, 124 BGB innerhalb von sechs Wochen zu erklären (§ 1954 BGB). Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten beträgt die Anfechtungsfrist sechs Monate (§ 1954 Abs. 3 BGB). Jedenfalls ist die Anfechtung ausgeschlossen, wenn seit der Annahme oder Ausschlagung 30 Jahre verstrichen sind (§ 1954 Abs. 3 BGB). Die Anfechtungsfrist beginnt im Fall einer Anfechtung wegen Drohung mit dem Wegfall der Zwangslage, für die Irrtumsfälle mit Kenntnis des Anfechtungsgrundes durch den anfechtungsberechtigten Erben. Erforderlich ist insoweit die positive Kenntnis der das Anfechtungsrecht begründenden Tatsachen. In den Fällen der Anfechtung der Annahme wegen Verstreichens der Ausschlagungsfrist (§ 1943 BGB) beginnt die Anfechtungsfrist nicht erst mit Kenntnis der Anfechtungsmöglichkeit, sondern schon mit Kenntnis von der Annahmewirkung.
III. Anfechtende Person
Rz. 30
Zur Erklärung der Anfechtung ist derjenige berechtigt, der die anzufechtende Erklärung – die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft – erklärt hat. Der gesetzliche Vertreter bedarf hierzu ggf. der Zustimmung des Familien- bzw. Betreuungsgerichts. Die Zustimmungserfordernisse des Familien- bzw. Betreuungsgerichtes können wie folgt dargestellt werden: