Dr. iur. Pierre Plottek, Malte Masloff
1. Allgemeines
Rz. 16
Für den Fall der form- und fristgerecht erklärten Ausschlagung fingiert § 1953 BGB zum einen, dass der Anfall der Erbschaft bei dem Ausschlagenden mit Rückwirkung als nicht erfolgt gilt (§ 1953 Abs. 1 BGB), und zum anderen, dass nun derjenige zum vorläufigen Erben berufen ist, der berufen worden wäre, wenn der Ausschlagende im Zeitpunkt des Erbfalles nicht gelebt hätte (§ 1953 Abs. 2 BGB). Die Fiktion erfasst Abkömmlinge des Ausschlagenden jedoch nicht, so dass die Ausschlagung durch einen Abkömmling bei gesetzlicher Erbfolge regelmäßig zur Berufung seiner Abkömmlinge führt (§ 1924 Abs. 3 BGB). Im Falle gewillkürter Erbfolge ist für die Bestimmung des Nächstberufenen vorrangig auf die letztwillige Verfügung des Erblassers – insbesondere etwaige Ersatzerbenbestimmungen – abzustellen. Für den Nächstberufenen läuft erneut eine Ausschlagungsfrist.
2. Unteilbarkeit der Ausschlagung
Rz. 17
Die Ausschlagung und auch die Annahme können nur in Bezug auf den gesamten Erbteil erklärt und nicht auf einzelne Teile der Erbschaft beschränkt werden (Grundsatz der Unteilbarkeit, § 1950 BGB). Der Erbe kann sich daher nicht die besten Erbschaftsgegenstände aussuchen. Eine Besonderheit enthält jedoch § 11 HöfeO, wonach die isolierte Ausschlagung eines Hofes bei gleichzeitiger Annahme der Erbschaft im Übrigen möglich ist.
Praxishinweis
Vorsicht ist insoweit geboten, da bei einer unwirksam erklärten Ausschlagung auf einen Teil der Erbschaft letztlich über § 1943 BGB die ganze Erbschaft anfällt.
3. Ausschlagung nach Berufungsgründen
Rz. 18
Obwohl die Ausschlagung der Erbschaft grundsätzlich unteilbar ist, ermöglicht § 1948 BGB dem Erben die Erbschaft aus gewillkürter Erbfolge auszuschlagen, jedoch als gesetzlicher Erbe anzunehmen. Ferner kann ein durch Testament und durch Erbvertrag berufener Erbe, die Erbschaft aus dem einen Berufungsgrund annehmen und aus dem anderen ausschlagen.
Rz. 19
Im Rahmen des Wahlrechts, einen Erbteil auf der Grundlage nur eines Berufungsgrundes ausschlagen zu können, ist in der Praxis sorgfältig zu prüfen, ob das beabsichtigte Ausschlagungsergebnis – insbesondere die gesetzliche Erbfolge – realisiert werden kann. Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn gewillkürte Miterben vorhanden sind.
4. Ausschlagung nach Erbteilen
Rz. 20
Der Gestaltungsspielraum des Ausschlagenden wird durch § 1951 BGB nochmals erweitert. Danach kann ein Erbteil angenommen und der andere ausgeschlagen werden, wenn die Berufung auf verschiedenen Gründen beruht. Das Gesetz enthält jedoch keine Definition des Tatbestandsmerkmals des Berufungsgrundes. Eine grobe Übersicht über mögliche Berufungsgründe bietet das nachfolgende Schaubild, wobei die Einzelheiten, insbesondere die Frage, ob auch unterschiedliche Berufungsgründe derselben Gattung (z.B. Erbenstellung aufgrund mehrerer Erbverträge) möglich sind, nicht berücksichtigt wurden:
5. Auswirkung auf Pflichtteil und Vermächtnis
Rz. 21
Im Zusammenhang mit der Ausschlagung ist ein Blick auf das Pflichtteilsrecht zu werfen. Zwar ist insoweit zu erkennen, dass eine Ausschlagung des Pflichtteilsanspruchs nicht möglich ist. Die Ausschlagung des Erbteils kann aber in Bezug auf Pflichtteilsansprüche in Einzelfällen wirtschaftlich sinnvoll sein.
Praxishinweis
Mit der Ausschlagung verliert der Erklärende grundsätzlich seinen Pflichtteilsanspruch und Restpflichtteil nach § 2305 BGB. In Einzelfällen können sogar die Abkömmlinge des Ausschlagenden von der Erbfolge ausgeschlossen sein.
Für die Entstehung des Pflichtteilsanspruches fehlt es insoweit an den Voraussetzungen von § 2303 Abs. 1 BGB, da der Erklärende gerade nicht durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Für den Ehegatten im gesetzlichen Güterstand bleibt jedoch auch bei einer Ausschlagung der Erbschaft über den Zugewinnausgleich der kleine Pflichtteil nach § 1371 Abs. 3 BGB erhalten. Ferner verbleibt dem Ausschlagenden der Pflichtteil in den Fällen von § 2306 Abs. 1 BGB, in denen der hinterlassene Erbteil durch Nacherbschaft, Testamentsvollstreckung oder Teilungsanordnung beschränkt oder mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert ist (siehe Rdn 7 f.). Nach § 2306 Abs. 2 BGB gilt das auch für den Fall, dass der Pflichtteilsberechtigte als Nacherbe eingesetzt ist.
Erwächst dem Erklärenden durch die Ausschlagung ein Pflichtteilsanspruch, so ist für die Pflichtteilslast besonders auf § 2320 BGB hinzuweisen. Danach muss derjenige die Pflichtteilslast tragen, der für den Erklärenden in die Position des Erben nachrückt.
Schließlich bestimmt § 2307 Abs. 1 BGB, dass der Pflichtteil dann bestehen bleibt, wenn lediglich ein Vermächtnis ausgeschlagen wird. Im Zusammenhang mit einem Vorausvermächtnis ist zudem zu berücksichtigen, dass die Ausschlagung des Erbteils ein zugewandtes Vorausvermächtnis unberührt lässt, sofern dieses Vorausvermächtnis nicht ebenfalls ausgeschlagen wird oder unter der aufschiebenden oder auflösenden Bedi...