Rz. 33
Die Bürgschaft ist für den Bürgen ein sehr riskantes Geschäft, insb. weil er bei Eintritt des Sicherungsfalls mit seinem gesamten Vermögen für die Verbindlichkeit des Kreditnehmers/Hauptschuldners haftet. Die Rechtsprechung hat deshalb Vorgaben für die Wirksamkeit von Bürgschaften formuliert, die einen vermögensschwachen und mit dem Kreditnehmer emotional verbundenen Bürgen und einen Bürgen, der in einem faktischen Abhängigkeitsverhältnis zum Hauptschuldner steht (Arbeitnehmer), schützen sollen.
Die Bestellung einer Bürgschaft kann u.U. sittenwidrig nach § 138 Abs. 1 BGB sein. Die höchstrichterliche Rechtsprechung bejaht regelmäßig dann einen solchen Verstoß, wenn in objektiver Weise der Bürge eine ruinöse Bürgschaft, die ihn wirtschaftlich krass überfordert, aufgrund einer emotionalen Verbindung zum Hauptschuldner übernimmt und der Sicherungsnehmer in subjektiver Hinsicht diese emotionale Bindung in sittlich anstößiger Weise ausnutzt. Eine krasse finanzielle Überforderung allein genügt zwar nicht, um eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft anzunehmen, allerdings vermutet der BGH in einem Fall krasser finanzieller Überforderung widerleglich, dass der Bürge die ruinöse Bürgschaft allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen hat und der Sicherungsnehmer die emotionale Verbundenheit des Bürgen zum Hauptschuldner in sittlich anstößiger Weise ausnutzt.
Rz. 34
Eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen liegt insb. vor, wenn das pfändbare Einkommen nicht ausreicht, um die Zinsen des gesicherten Kredits zu zahlen. Nach dem BGH genügt die für den vermögenslosen Bürgen bestehende Möglichkeit der Restschuldbefreiung nach § 286 ff. InsO nicht für die Ablehnung des Tatbestands einer krassen finanziellen Überforderung. Ist der Bürge Eigentümer eines Grundstücks, dessen (unbelasteter) Wert die Bürgenschuld abdeckt, scheidet auch nach der BGH-Rechtsprechung eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen aus. Die Bürgschaftsübernahme verstößt trotz finanzieller Überforderung nicht gegen die guten Sitten, wenn der Bürge ein wirtschaftliches Eigeninteresse an der Kreditaufnahme gehabt hat, allerdings sind insoweit nur nennens- und geldwerte unmittelbare Vorteile des Bürgen aus der Kreditaufnahme zu berücksichtigen; lediglich mittelbare Vorteile, etwa die Aussicht auf höhere Unterhaltsleistungen, genügen dagegen nicht. Der Sittenwidrigkeitsvorwurf kann auch dann entfallen, wenn der Bürgschaftsvertrag allein deshalb geschlossen wird, damit sich die Bank vor späteren Vermögensverlagerungen vom Kreditnehmer auf den Bürgen schützt. Dieser Zweck muss im Bürgschaftsvertrag unzweideutig vereinbart sein.
Die genannten Grundsätze der Sittenwidrigkeit gelten nicht nur für die Bürgschaft, sondern nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch für den Schuldbeitritt. Demgegenüber gelten sie nicht für den Fall einer Mitdarlehensnehmerschaft. Sie gelten in der Regel auch nicht für mithaftende oder bürgende GmbH-Gesellschafter oder Kommanditisten einer KG.