Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 11
Für Verfahren, die die gesetzliche Unterhaltspflicht eines Elternteils oder beider Elternteile gegenüber einem minderjährigen Kind betreffen, ist das Gericht ausschließlich zuständig, bei dem das Kind oder der Elternteil, der auf Seiten des Kindes zu handeln befugt ist, seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Hierdurch wird zugunsten der minderjährigen Kinder bewirkt, dass bei Überleitung des Vereinfachten Verfahrens nach § 255 FamFG die Abgabe an ein anderes Gericht vermieden wird.
Rz. 12
Die Zuständigkeit nach § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG gilt nunmehr auch für die nach § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB privilegierten volljährigen Kinder. § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG knüpft hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit an den gewöhnlichen Aufenthalt des unterhaltsberechtigten Kindes bzw. des insoweit vertretungsberechtigten Elternteils an. Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person ist der tatsächliche Mittelpunkt des Lebens, d.h. der Ort, der faktisch (nicht rechtlich) den Schwerpunkt seiner sozialen und familiären Bindungen darstellt; er unterscheidet sich zum einen vom schlichten Aufenthaltsort und zum anderen vom (gemeldeten) Wohnsitz i.S.d. §§ 7 ff. BGB. Da es sich bei der Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts um einen rein tatsächlichen Vorgang handelt, setzt seine Begründung keine Geschäftsfähigkeit voraus. Der (gemeldete) Wohnsitz und der gewöhnliche Aufenthalt können deshalb auseinanderfallen; die Anmeldung eines Wohnsitzes ist somit zwar ein Indiz, reicht aber nicht aus, um am Meldeort auch den gewöhnlichen Aufenthalt anzunehmen.
Rz. 13
Voraussetzung für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts ist deshalb regelmäßig eine gewisse Dauer der Anwesenheit und die Einbindung in das soziale Umfeld, was durch familiäre, berufliche oder gesellschaftliche Bindungen eintreten kann. Ferner ist der Aufenthaltswille beachtlich. Im Hinblick hierauf kann bereits nach kurzer Zeit ein (neuer) gewöhnlicher Aufenthalt angenommen werden. Dies gilt insbes. bei einem vollständigen Umzug an einem anderen Wohnort, bei dem der Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts sofort eintritt. Eine vorübergehende Abwesenheit (v.a. aus beruflichen Gründen) beendet nicht den gewöhnlichen Aufenthalt. Generell ist ein gewöhnlicher Aufenthalt anzunehmen, wenn der Aufenthalt sechs Monate angedauert hat.
Rz. 14
In den Fällen, in denen weder das Kind noch ein vertretungsberechtigter Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, greift der gewöhnliche Aufenthalt des Unterhaltspflichtigen ein. Dadurch soll jedoch nicht eine ausschließliche internationale Zuständigkeit begründet werden; vielmehr beschränkt die Regelung die in Nr. 2 bestimmte ausschließliche Zuständigkeit des ausschließlichen Gerichtsstands des Kindes oder des sorgeberechtigten Elternteils auf die reinen Inlandsfälle.