Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 350
Neben einer Änderung der maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse kann sich eine Störung der Geschäftsgrundlage auch aus einer Änderung der Gesetzeslage oder aus einer ihr gleichkommenden verfassungskonformen Auslegung einer Norm durch das Bundesverfassungsgericht ergeben.
Selbiges gilt bei einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch den Bundesgerichtshof.
Rz. 351
So sind z.B. Unterhaltsvergleiche, die auf der durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25.1.2011 beanstandeten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bedarfsermittlung durch Dreiteilung des zur Verfügung stehenden Gesamteinkommens des Unterhaltspflichtigen sowie des früheren und des jetzigen unterhaltsberechtigten Ehegatten beruhen, weder nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam noch nach §§ 119 ff. BGB anfechtbar; die Anpassung solcher Vereinbarungen richtet sich nach den Grundsätzen der Störung bzw. des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.
Rz. 352
Keine Änderung der Rechtslage stellt dagegen die am 1.3.2013 in Kraft getretene Änderung des § 1578b BGB dar. Der Bundesgerichtshof hatte mit seiner Rechtsprechung bereits zuvor verdeutlicht, dass eine Befristung oder Begrenzung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs unzulässig sein kann, wenn zwar keine ehebedingten Nachteile vorliegen, eine Beschränkung aber mit Blick auf die insbesondere bei Ehen von langer Dauer gebotene nacheheliche Solidarität unbillig erscheint. Diese Linie verfolgten zunehmend auch die Instanzgerichte. Vor dem Hintergrund der entstandenen Unsicherheit dient die Änderung der Vorschrift lediglich als gesetzliche Klarstellung. Diese erfolgt durch die eigenständige Nennung des Tatbestandsmerkmals der Ehedauer als weiterem Billigkeitsmaßstab für die Herabsetzung von Unterhaltsansprüchen neben dem Bestehen ehebedingter Nachteile.
Rz. 353
Ob und in welcher Weise sodann eine Anpassung an die veränderte Rechtslage erfolgen kann, bedarf außerdem einer sorgfältigen Prüfung unter Berücksichtigung der Interessen beider Beteiligter. Es genügt nicht, dass ein weiteres Festhalten am Vereinbarten nur für einen Beteiligten unzumutbar erscheint; vielmehr muss das Abgehen vom Vereinbarten beiden Beteiligten zumutbar sein. Dabei ist auch zu beachten, ob die im Vergleich insgesamt getroffenen Regelungen noch in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, was insbesondere für Scheidungsfolgenvereinbarungen gilt, die mehrere Punkte (z.B. Vermögensausgleich, Unterhalt, Versorgungsausgleich) enthalten.
Rz. 354
Eine sodann vorzunehmende Abänderung des Unterhaltstitels wegen Änderung der Rechtsprechung kommt aber erst ab Verkündung der maßgeblichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesgerichtshofs in Betracht.