Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 212
Eine Scheidung ist nur möglich, wenn über alle mit dem Scheidungsantrag verbundenen Folgesachen durch abschließenden Beschluss entschieden werden kann, vgl. § 142 Abs. 1 FamFG. Folglich kann sich die Scheidung in die Länge ziehen, wenn ein Beteiligter in den Scheidungsverbund immer wieder Folgesachen einbringt. Eine solche "Verfahrensverlängerung" ist mitunter gewollt, um den Trennungsunterhalt, der großzügig bemessen ist, weiter in Anspruch nehmen zu können. Mitunter ist aber auch der Scheidungsverbund aus Kostengründen gewollt, weil die Ehegatten eine umfassende abschließende Regelung ihrer Probleme anstreben und die Vorteile der Gebührendegression nutzen möchten. Dies kann freilich ein sehr langes Scheidungsverfahren zur Folge haben, so dass alle Beteiligte dann versuchen, den Verbund zu "entschärfen", d.h. einzelne besonders langwierige Folgesachen – wie etwa den nachehelichen Unterhalt oder den Zugewinnausgleich – abzutrennen.
aa) Beteiligung einer weiteren Person, § 140 Abs. 1 FamFG
Rz. 213
Eine Abtrennung ist nach § 140 Abs. 1 FamFG zwingend, wenn in einer Unterhalts- oder Güterrechtsfolgesache außer den Ehegatten eine weitere Person Beteiligter des Verfahrens wird. Ein Anwendungsfall dieser Bestimmung ist gegeben, wenn im Verbund Unterhalt für ein minderjähriges Kind verlangt und im Verlauf des Verbundverfahrens dieses Kind volljährig wird. Die Verfahrensführungsbefugnis bzw. Verfahrensstandschaft des bislang den Unterhalt fordernden Elternteils nach § 1629 Abs. 3 BGB entfällt mit der Volljährigkeit des Kindes. Das volljährige Kind hat ein Recht, nunmehr selbst als Beteiligter das Unterhaltsverfahren zu betreiben, entweder durch Verfahrenserklärung oder – bei Eintritt der Volljährigkeit zwischen den Instanzen – durch Rechtsmitteleinlegung.
Der h.M. geht davon aus, dass ein gewillkürter Beteiligtenwechsel stattfindet, der keiner Zustimmung der Gegenseite bedarf, weil er nur durch den Wegfall der Verfahrensführungsbefugnis bedingt ist und es zu keiner Veränderung des Streitstoffes kommt.
bb) Abtrennung wegen außergewöhnlicher Verzögerung, § 140 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 FamFG
Rz. 214
Der Scheidungsverbund kann einzelne Folgesachen enthalten, die sehr umfangreich und deshalb langwierig sind. Dennoch kann eine Scheidung grundsätzlich erst erfolgen, wenn alle Folgesachen entscheidungsreif sind, es sei denn, eine Abtrennung nach § 140 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 FamFG ist möglich. Dies setzt eine außergewöhnliche Verzögerung des Scheidungsausspruchs und eine sich daraus ergebende unzumutbare Härte voraus. Durch das bei dieser Vorschrift erforderliche Antragserfordernis wird eine Abtrennung von Amts wegen ausgeschlossen.
Rz. 215
Eine außergewöhnliche Verzögerung im Sinne von § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG ist zu bejahen, wenn die bei Durchführung der Folgesachen üblicherweise auftretende Verfahrensdauer weit reichend überschritten wird. Die Verzögerung muss nicht bereits eingetreten sein; die Beurteilung lässt entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift auch eine Prognose des weiteren Verfahrensablaufs zu. Die Rechtsprechung sieht eine Verfahrensdauer von zwei Jahren als normal für ein Scheidungsverfahren an, d.h. erst nach Ablauf von zwei Jahren ist die Annahme einer außergewöhnlichen Verzögerung möglich.
Praxistipp
Das OLG Hamm hat sich damit auseinandergesetzt, welcher Maßstab für eine durchschnittliche Verfahrensdauer eines Scheidungsverfahrens anzusetzen ist.
Der BGH hatte sich vor Jahren auf einen Zeitraum von zwei Jahren eingelassen.
Nunmehr gibt es auch empirische Werte des statistischen Bundesamts. Nach diesen beträgt der Bundesdurchschnitt für ein Scheidungsverfahren 10 Monate, 10,3 Monate im Landesdurchschnitt NRW bzw. 9,6 Monate der Durchschnitt im Bezirk des OLG Hamm.
Eine außergewöhnliche Verzögerung kann in Unterhaltssachen auf die Einholung von Sachverständigengutachten (z.B. wegen Klärung einer Krankheit oder relevanter Einkünfte bei einem Selbstständigen) oder bei mehrfachen gerichtlichen Maßnahmen zur Auskunftserlangung (§§ 1379, 1580, 1605 BGB) zurückzuführen sein.
Das Vorliegen einer außergewöhnlichen Verzögerung reicht nicht aus, um eine Abtrennung einer Folgesache nach § 140 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 FamFG zu rechtfertigen; erforderlich ist vielmehr darüber hinaus eine für den Antragsteller unzumutbare Härte. Die Feststellung der unzumutbaren Härte erfolgt mittels einer Abwägung des Interesses des Antragstellers (entsprechend des Antragsgegners, wenn dieser den Abtrennungsantrag gestellt hat) an einer alsbaldigen Scheidung und des Interesses des Antragsgegners an einer Beibehaltung des Entscheidungsverbunds, d.h. einer gleichzeitigen Regelung der abzutrennenden Folgesachen.
Rz. 216
Im Rahmen der Abwägung der Interessen ist eine obstruktive Verfahrensverzögerung eines Beteiligten zu berücksichtigen. Eine obstruktive Verfahrensverzögerung ist anzunehmen, wenn der Gegner seit einem nennenswerten Zeitraum eine Mitwirkung unterlässt oder der Gegner den Wunsch des die Scheidung Begehrenden durch eine zögerliche ...