Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 149
Ein Unterhaltstitel zwischen den Eltern (Beschluss oder Vergleich) wirkt auch für und gegen das Kind (§ 1629 Abs. 3 S. 2 BGB), und zwar auch, wenn die Eltern inzwischen geschieden sind und das Kind volljährig geworden ist.
Die Vollstreckung aus dem in Verfahrensstandschaft erstrittenen Titel erfolgt wie folgt:
Der Verfahrensstandschafter ist im eigenen Namen vollstreckungsbefugt bis zur Volljährigkeit des Kindes. § 1629 BGB soll nämlich die Realisierung von Kindesunterhalt erleichtern und nicht durch Formalismus erschweren.
Es besteht im Wesentlichen auch Einigkeit dahingehend, dass der Verfahrensstandschafter nach Beendigung der Verfahrensstandschaft gem. § 1629 Abs. 3 BGB durch Rechtskraft der Scheidung noch berechtigt ist, eine Klauselerteilung auf sich zu beantragen, solange das Kind noch minderjährig ist. Dieses verbleibende Recht des gesetzlichen Vertreters schließt jedoch das Recht des Kindes, die Vollstreckung als materiell berechtigter Gläubiger selbst zu betreiben, nicht aus. Dazu bedarf es freilich einer Rechtsnachfolgeklausel entsprechend § 727 ZPO, da das Kind formell nicht als Gläubiger in dem Beschluss ausgewiesen ist.
Rz. 150
Nach Eintritt der Volljährigkeit ist die Titelumschreibung (§ 727 ZPO) auf das volljährige Kind nötig. Die Vollstreckungsbefugnis des Verfahrensstandschafters (Elternteil) entfällt, und zwar auch schon für die zuvor fällig gewordenen Unterhaltsansprüche.
Nach einem Sorgerechtswechsel gilt Folgendes: Wird die elterliche Sorge, die bisher z.B. der Mutter zustand, auf den Vater übertragen (oder kommt es zumindest zu einem Obhutswechsel), ist die Mutter nicht mehr berechtigt, die Vollstreckung aus einem früheren Titel, zu betreiben, und zwar auch nicht wegen der bis zum Sorgerechts- bzw. Obhutswechsel aufgelaufenen Rückstände.
Betreibt die Mutter dennoch die Zwangsvollstreckung, hat der Vater folgende rechtliche Möglichkeiten:
aa) KU-Titel im Namen eines Elternteils
Rz. 151
Der Titelschuldner kann die Beendigung der gesetzlichen Verfahrensstandschaft mit einem Vollstreckungsabwehrantrag gem. §§ 120 Abs. 1 FamFG, 767 ZPO geltend machen. Wird dem Sorgerechtsinhaber die elterliche Sorge entzogen oder liegt ein Obhutswechsel vor, so ist der bisherige Vollstreckungsgläubiger auch für Unterhaltsrückstände nicht mehr aktivlegitimiert.
Rz. 152
Das OLG Thüringen stellt seine Auffassung wie folgt dar:
Zitat
"Gegen die Zulässigkeit der gewählten Klageart bestehen keine Bedenken. …. Der Klageantrag geht dahin, die Zwangsvollstreckung aus dem angegriffenen Titel für unzulässig zu erklären. … § 767 ZPO ist gem. § 120 Abs. 1 FamFG auf die Vollstreckung in Familienstreitsachen anwendbar (…). Der Wegfall der Prozessstandschaft stellt eine Einwendung i.S.d. § 767 Abs. 1 ZPO dar. Die Kindesmutter und Antragsgegnerin hat den der Vollstreckung zugrunde liegenden Titel in Prozesstandschaft gem. § 1629 Abs. 3 BGB erwirkt. Die Prozessführungsbefugnis der Kindesmutter ist während der Zwangsvollstreckung erloschen, nachdem ihr das Sorgerecht entzogen wurde (…). Der Titelschuldner kann die Beendigung der gesetzlichen Prozessstandschaft nur gemäß § 767 ZPO geltend machen, wenn die Zwangsvollstreckung betrieben wird, d.h. die Vollstreckungsgegenklage gegen den ursprünglichen Titelgläubiger (Prozessstandschafter) wird nicht als unzulässig angesehen, um den Titelschuldner nicht rechtlos zu stellen (…)."
Rz. 153
Ein bestehender Kindesunterhaltstitel basierend auf Verfahrensstandschaft ist daher – jedenfalls nach Aufforderung des nun sorgeberechtigten oder die Obhut ausübenden Elternteils – unbedingt herauszugeben. Verweigert der bislang obhutsberechtigte Elternteil trotz Fristsetzung die Herausgabe des Titels, so ist ein Vollstreckungsabwehrverfahren nach § 767 ZPO geboten und erfolgreich.
bb) KU-Titel im Namen des Kindes vertreten durch einen Elternteil
Rz. 154
Wurde das Kind im Unterhaltsverfahren vom früher obhutsberechtigten Elternteil lediglich nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB vertreten, so kann der titelverpflichtete Elternteil ein Vollstreckungsabwehrverfahren nach § 767 ZPO weder gegen das Kind noch gegen den anderen Elternteil erfolgreich betreiben.
Ein Vollstreckungsabwehrverfahren nach § 767 ZPO gegen die Mutter hat (nach der angenommenen Sorgerechts- oder Obhutsänderung) keinen Erfolg, da sie den Unterhaltstitel nicht im eigenen Namen als Verfahrensstandschafterin erwirkt hat, sondern der Titel auf den Namen des Kindes lautet. Die Mutter ist somit nicht Gläubigerin des Vollstreckungsverfahrens.
Auch ein Vollstreckungsabwehrantrag nach § 767 ZPO gegen das Kind hat keinen Erfolg, weil der Wechsel des Vertretungsverhältnisses keine den materiellen Anspruch selbst betreffende Einwendung i.S.v. § 767 ZPO darstellt.
Der Vater kann aber im Vollstreckungsverfahren mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO...