Leitsatz (amtlich)
1. Der Eintritt der Volljährigkeit des Kindes verbunden mit dem Wegfall der Vollstreckungsbefugnis ist jedenfalls dann ein zulässiger Einwand im Vollstreckungsabwehrverfahren gegen den die Vollstreckung weiterhin betreibenden Elternteil, wenn der Titel auf Zahlung an den betreuenden Elternteil selbst lautet.
2. Bei einer Verurteilung zu wiederkehrenden Leistungen ist der von einem Elternteil im Wege der Verfahrensstandschaft erstrittene Titel auf Zahlung von Kindesunterhalt jedenfalls dann in entsprechender Anwendung des § 371 BGB von diesem herauszugeben, wenn dem Kind mittlerweile eine vollstreckbare Teilausfertigung des Titels erteilt worden ist.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 371; GG Art. 12 Abs. 2; ZPO § 767 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Warburg (Beschluss vom 30.09.2015; Aktenzeichen 12 F 39/15) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 15.10.2015 gegen den am 30.09.2015 erlassenen Beschluss des AG - Familiengericht - Warburg wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten sind rechtskräftig geschiedene Ehegatten. Aus der Ehe ist der am ... 1995 geborene Sohn M hervorgegangen.
Mit Vergleich vom 29.04.2011 verpflichtete sich der Antragsteller, an die Antragsgegnerin für den gemeinsamen Sohn M u.a. einen monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 334,00 EUR für die Zeit ab April 2011 zu zahlen (Aktenzeichen: AG Warburg, 12 F 134/10). Das Familiengericht erteilte der Antragsgegnerin am 20.06.2011 eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs zum Zwecke der Zwangsvollstreckung. Die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs ist den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 24.06.2011 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 05.01.2015 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin vergeblich auf, wegen des Eintritts der Volljährigkeit des gemeinsamen Sohnes und wegen des Verlustes seiner Arbeitsstelle auf weitere Zwangsvollstreckungen aus dem genannten Vergleich zu verzichten.
Der Antragsteller hat im Wege des Vollstreckungsabwehrantrags u.a. begehrt, die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Vergleich vom 29.04.2011 für unzulässig zu erklären und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die ihr erteilte vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs an ihn herauszugeben. Während des laufenden Verfahrens hat die Rechtspflegerin des AG Warburg dem Sohn der Beteiligten am 03.09.2015 für die Unterhaltszeiträume vom 01.02.2014 bis zum 30.04.2014 und vom 01.01.2015 bis zum 30.06.2015 in Höhe von insgesamt 2.736,00 EUR (= 9 Monate*304 EUR) eine vollstreckbare Teilausfertigung des Vergleichs gemäß § 727 ZPO erteilt. Im Übrigen ist die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs als Teilausfertigung bei der Antragsgegnerin verblieben.
Die Antragsgegnerin hat für ihre Rechtsverteidigung die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt.
Mit am 30.09.2015 erlassenen Beschluss hat das AG - Familiengericht - Warburg den Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Familiengericht ausgeführt:
Die Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Sie sei zur Zwangsvollstreckung aus dem genannten Vergleich der Beteiligten nach Eintritt der Volljährigkeit des Sohnes nicht mehr berechtigt. Dies gelte auch für den bis zur Volljährigkeit des Kindes aufgelaufenen Unterhaltsrückstand. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den genannten Beschluss und das diesem Beschluss zugrunde liegende Verfahren Bezug genommen.
Gegen den genannten Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 15.10.2015, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat. Sie verweist auf die mittlerweile erfolgte Titelumschreibung zugunsten des Sohnes. Dieser verfüge über eine Teilausfertigung des Vergleichs hinsichtlich der noch offenen Unterhaltsansprüche. Diesbezüglich könne der Antragsteller nicht verlangen, dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt wird und die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs herauszugeben ist. Im Übrigen sei sie zur Einleitung der Zwangsvollstreckung im Einvernehmen mit dem Sohn auch nach der Volljährigkeit des Sohnes berechtigt gewesen.
Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluss.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das Familiengericht ihren Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen, weil ihre Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 114 Abs. 1 ZPO). Die von ihr eingeleitete Zwangsvollstreckung ist unzulässig. Die Antragsgegnerin ist auch verpflichtet, die ihr erteilte vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs, bei der es sich nur noch um eine Teilausfertigung handelt, an den Antragsteller herausgeben.
1. Die Antragsgegnerin ist für die von ihr ursprünglich eingeleitete Zwangsvollstreckung nach Eintritt der Volljährigkeit des Sohnes offensichtlich nicht mehr vollstreckungsbefugt:
a) Aus einem von ihm auf Grund der Verfahrensstandschaft...