Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 330
§ 238 Abs. 3 FamFG behandelt die Zeitgrenze, bis zu der eine rückwirkende Abänderung möglich ist. Nach § 238 Abs. 3 S. 1 FamFG ist die Abänderung zulässig für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Antrags. Maßgeblich hierfür ist die Zustellung des Antrags an den Gegner nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 253 Abs. 1, 261 ZPO.
Weder genügt die Einreichung eines entsprechenden Verfahrenskostenhilfegesuchs noch die bloße Einreichung des Abänderungsantrags bei Gericht.
Die Anwendung des § 167 ZPO scheidet aus.
Rz. 331
Ein Antrag auf Erhöhung des Unterhalts ist nach § 238 Abs. 3 S. 2 FamFG für die Zeit zulässig, für die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden kann. In Betracht kommen hierbei insbesondere § 1613 Abs. 1 BGB und die hierauf verweisenden sonstigen Vorschriften des materiellen Unterhaltsrechts wie §§ 1360a Abs. 3 (Familienunterhalt), 1361 Abs. 4 S. 4, 1360a Abs. 3 (Getrenntlebensunterhalt), 1585b Abs. 2 BGB (nachehelicher Unterhalt).
Entsprechend ist die Abänderung für die Vergangenheit von dem Zeitpunkt an möglich, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu welchem der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist.
Rz. 332
Es ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Aufforderung zur Auskunftserteilung Bezug zum bestehenden Unterhaltstitel aufweist und erkennbar darauf ausgerichtet ist, eine Erhöhung des titulierten Unterhalts zu erreichen.
So kann beispielsweise Altersvorsorgeunterhalt für die Vergangenheit nicht erst von dem Zeitpunkt an verlangt werden, in dem er ausdrücklich geltend gemacht worden ist.
§ 238 Abs. 3 S. 3 FamFG bestimmt für Anträge auf Herabsetzung des Unterhalts, dass diese auch für die Zeit ab dem Ersten des auf ein entsprechendes Auskunfts- oder Verzichtsverlangen des Antragstellers folgenden Monats zulässig sind. Auf diese Weise wird die Gleichbehandlung von Gläubiger und Schuldner erreicht.
Das auf eine Herabsetzung gerichtete Verlangen unterliegt spiegelbildlich den Voraussetzungen, für die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden kann. Diese Voraussetzungen ergeben sich nach der Neufassung des § 1585b Abs. 2 BGB durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrecht zukünftig einheitlich aus § 1613 Abs. 1 BGB.
Rz. 333
Erforderlich ist daher entweder ein Auskunftsverlangen mit dem Ziel der Herabsetzung des Unterhalts gegenüber dem Unterhaltsgläubiger oder eine "negative Mahnung", also die Aufforderung an den Unterhaltsgläubiger, teilweise oder vollständig auf den titulierten Unterhalt zu verzichten. Diesen Anforderungen genügt eine Mitteilung des Unterhaltsschuldners an den Unterhaltsgläubiger, in welcher der Unterhaltsschuldner schlüssig darlegt, dass nunmehr nur noch ein geringer Unterhalt geschuldet sei, und den Unterhaltsgläubiger ernsthaft zu der Erklärung auffordert, die Herabsetzung des Unterhalts zu akzeptieren.
Im Übrigen kann auf die Rechtslage bezüglich § 1613 BGB verwiesen werden; insbesondere muss ein entsprechendes Verlangen dem Unterhaltsgläubiger zugehen.
Rz. 334
Hinweis
Ein Antrag auf rückwirkende Abänderung eines Unterhaltstitels gemäß § 238 FamFG für die Zeit vor Einreichung des Abänderungsantrages bzw. des Verfahrenskostenhilfeantrages für ein Abänderungsverfahren ist mutwillig im Sinne des § 114 ZPO, soweit durch die Gegenstandswerterhöhung gemäß § 51 Abs. 2 FamGKG erhebliche Mehrkosten dadurch entstehen, dass der Antragsteller ohne nachvollziehbaren Grund nicht zeitnah nach einem Auskunfts- oder Verzichtsverlangen einen verfahrenseinleitenden Antrag bei Gericht stellt. Dies wird damit begründet, dass ein Beteiligter, der für die Kosten des Verfahrens selbst aufzukommen hätte, nicht unnötig verfahrenskostenerhöhende Rückstände entstehen lassen würde, bevor er Klage erhebt.
Rz. 335
Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es erforderlich, das Herabsetzungsverlangen zeitlich zu begrenzen. § 238 Abs. 3 S. 4 FamFG enthält deshalb eine zeitliche Einschränkung für die Geltendmachung eines rückwirkenden Herabsetzungsverlangens und ist § 1585b Abs. 3 BGB nachgebildet, wonach für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit eine Herabsetzung nicht verlangt werden kann.
Während sich die rückwirkende Erhöhung des Unterhalts nach § 238 Abs. 3 S. 2 FamFG nach dem materiellen Recht richtet, ist das Herabsetzungsverlangen rein verfahrensrechtlich ausgestaltet, so dass sich z.B. die Frage der Verjährung nicht stellen kann.
Unter engen Voraussetzungen kann auch ein solcher verfahrensrechtlicher Gegenstand der Verwirkung unterliegen.