Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 160
Ein zur Zeit der Minderjährigkeit des Kindes ergangener Unterhaltstitel gilt fort, wenn das Kind volljährig wird. Es besteht Identität des Unterhaltsanspruchs volljähriger Kinder mit dem Minderjährigenunterhalt. Der Unterhaltsschuldner kann nicht mittels eines Vollstreckungsabwehrantrags nach § 767 ZPO gegen den Titel vorgehen (vgl. § 244 FamFG). Die Vorschrift des § 244 FamFG hat die Funktion, Vollstreckungsabwehranträge nach § 767 ZPO gegen Mindestunterhaltstitel mit der Begründung des Eintritts der Volljährigkeit des unterhaltsberechtigten Kindes zu vermeiden, sofern die Unterhaltspflicht auch über die Minderjährigkeit hinaus fortbesteht.
Abänderungsverfahren werden von dieser Vorschrift nicht berührt, sind also möglich und häufig auch begründet, da sich durch die Volljährigkeit eine Änderung der Verhältnisse ergibt (erhöhte Erwerbsobliegenheit, Mithaftung des anderen Elternteils usw.).
aa) Dynamische Titel
Rz. 161
Anwendbar ist § 244 FamFG, wenn ein von § 244 FamFG genannter Titel wegen Mindestunterhalts nach § 1612a BGB vorliegt.
Titel, die von § 244 FamFG erfasst werden, sind insbesondere
bb) Statische Titel
Rz. 162
Ein zugunsten eines minderjährigen Kindes bestehender nichtdynamischer und unbefristeter Titel wirkt ebenfalls nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes fort. Zwar wird mitunter die Meinung vertreten, § 244 beziehe sich seinem Wortlaut nach nur auf dynamische Titel nach § 1612a BGB. Dies zwinge zu dem Umkehrschluss, dass statische Titel, die zur Zeit der Minderjährigkeit erwirkt wurden, dem Einwand der Volljährigkeit ausgesetzt seien, damit nicht mehr durchsetzbar wären und neuer Titulierung bedürften. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Aufgrund der Identität des Unterhaltsanspruchs volljähriger Kinder mit dem Minderjährigenunterhalt ist der Unterhaltsanspruch vor und nach Eintritt der Volljährigkeit derselbe; er basiert nach wie vor auf derselben Anspruchsgrundlage. Änderungen, die infolge der Volljährigkeit denkbar sind, müssen im Abänderungsverfahren nach §§ 238 f. FamFG geltend gemacht werden. Der (eingeschränkte) Wortlaut des § 244 FamFG erklärt sich dadurch, dass dynamische Titel nur für minderjährige Kinder geschaffen werden können; insoweit bedurfte es einer Klarstellung, dass auch in diesen Fällen der Einwand der Volljährigkeit nicht verfängt.
cc) Fortbestehende Unterhaltspflicht
Rz. 163
Erforderlich ist jedoch, dass materiell-rechtlich die Unterhaltspflicht nach Eintritt der Volljährigkeit fortbesteht, was insbesondere der Fall ist, wenn sich das Kind noch in der allgemeinen Schulausbildung befindet.
dd) Rechtsfolge
Rz. 164
Rechtsfolge von § 244 FamFG ist, dass der Unterhaltsschuldner im Rahmen eines Vollstreckungsabwehrantrags (§ 767 ZPO) nicht einwenden darf, dass Minderjährigkeit (als Tatbestandsmerkmal des § 1612a S. 1 BGB) nicht mehr besteht. Der Vollstreckungsabwehrantrag ist damit nicht unzulässig; nur mit dem genannten Einwand ist der Schuldner aufgrund von § 244 FamFG ausgeschlossen.
Hinweis
Offen steht hingegen das Abänderungsverfahren, da sich durch die Volljährigkeit eine Änderung der Verhältnisse ergibt (erhöhte Erwerbsobliegenheit, Mithaftung des anderen Elternteils usw.). Beteiligter des Abänderungsverfahrens ist das volljährige Kind, auch wenn der Titel über den Minderjährigenunterhalt vom betreuenden Elternteil in Verfahrensstandschaft gem. § 1629 Abs. 3 BGB erwirkt wurde.