Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 422
Häufig wird im AO-Verfahren ein Vergleich geschlossen. Dies ist auch vom Gesetzgeber gewollt. § 246 Abs. 2 FamFG bestimmt nämlich, dass die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung ergeht, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts oder für eine gütliche Streitbeilegung geboten erscheint. Die Verhandlungssituation erleichtert das Zustandekommen von Unterhaltsvereinbarungen.
Fraglich ist, in welcher Weise ein solcher Vergleich später, insbesondere bei einer Änderung der Sach- und Rechtslage, abgeändert werden kann.
Die h.M. differenziert, ob der Vergleich nur eine vorläufige Wirkung haben soll oder als endgültige Lösung der Unterhaltsangelegenheit gewollt ist. Letzteres sei die Ausnahme, so dass für eine endgültige Wirkung deutliche Anhaltspunkte vorliegen müssten.
Eine nur vorläufige vergleichsweise Regelung des Unterhalts im einstweiligen Anordnungsverfahren kann nicht Gegenstand eines Abänderungsantrags nach § 239 FamFG sein. Die vorläufige Vergleichsregelung ist im Hinblick auf Abänderung und Aufhebung daher wie ein Beschluss zu behandeln und entweder nach § 54 FamFG oder vom Unterhaltsschuldner mit einem negativen Feststellungsantrag zu korrigieren. Der Unterhaltsberechtigte kann gegebenenfalls eine Unterhaltserhöhung auch mit einem Leistungsantrag geltend machen.
Rz. 423
Das OLG Thüringen führt dazu wie folgt aus:
Zitat
Dem Abänderungsantrag kann das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn der Antragsteller die Abänderung eines in einem einstweiligen Anordnungsverfahren geschlossenen Unterhaltsvergleichs begehrt. Abgrenzungsprobleme entstehen, wenn im Rahmen eines einstweiligen Verfahrens – wie vorliegend – ein Vergleich geschlossen wird. Soweit der Vergleich nur die vorläufige Regelung der einstweiligen Anordnung übernimmt und den Unterhalt nicht endgültig regeln soll, hat er keine über die einstweilige Anordnung hinausgehende Wirkung und kann daher nicht als Titel i.S.d. § 239 FamFG gelten (…). Die Beteiligten können jedoch dem im einstweiligen Anordnungsverfahren geschlossenen Vergleich eine weitergehende Wirkung beilegen, wofür allerdings sichere Anhaltspunkte gegeben sein müssen. Ist der Vergleich – wenn auch nur zeitlich für die Dauer des Anordnungsverfahrens befristet – als endgültige Regelung gedacht, dann ist er nur den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage unterworfen und gem. § 239 FamFG abänderbar (…).
Rz. 424
Diese Betrachtungsweise ist abzulehnen; es gibt keinen Vergleich "zweiter" Klasse, der einer Abänderbarkeit nach § 239 FamFG nicht zugänglich wäre. Natürlich können die Beteiligten den Maßstab für eine Abänderung ihrer Vereinbarung privatautonom festlegen.
Die Beteiligten wollen aber regelmäßig nicht nur das einstweilige Unterhaltsanordnungsverfahren, sondern auch den damit verbundenen Unterhaltsstreit endgültig abschließen, wenn sie eine Vereinbarung schließen; die von der h.M. angenommene Vermutung für das Gegenteil entspricht nicht der Realität, ist vielmehr eine reine Fiktion. Auch der Gesetzgeber erwartet sich von einem Vergleich im Unterhaltsanordnungsverfahren, dass damit ein Hauptsacheverfahren entbehrlich wird.
Damit ist auch eine Vereinbarung, die im einstweiligen Unterhaltsanordnungsverfahren abgeschlossen wird, nur änderbar, wenn die Voraussetzungen nach § 239 FamFG dafür vorliegen (es sei denn, die Beteiligten haben eine andere Geschäftsgrundlage vereinbart).
Rz. 425
Hinweis
Im Hinblick auf diese Rechtsprechung ist der anwaltlichen Vertretung insbes. im AO-Verfahren zu empfehlen, die Geschäftsgrundlage eindeutig zu machen, d.h. übereinstimmende Erklärungen dazu abzugeben, inwieweit die Unterhaltsregelung endgültig sein soll oder nicht.
Rz. 426
Eine Umdeutung eines Abänderungsantrags nach § 239 FamFG in einen Antrag nach § 54 Abs. 1 S. 2 FamFG ist analog § 140 BGB möglich. Der BGH lässt die Umdeutung auch bei einem Wechsel in eine andere Verfahrensart zu, wenn ein entsprechender Beteiligtenwille genügend deutlich erkennbar ist und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht.
Abschließend ist noch auf einen gebührenrechtlichen Aspekt hinzuweisen. Schließen die Beteiligten im einstweiligen Anordnungsverfahren einen schriftlichen Vergleich, so ist das OLG Köln der Meinung, dass dadurch keine Terminsgebühr ausgelöst wird. Diese Entscheidung ist allerdings auf heftige Kritik gestoßen, insbesondere die Formulierung der zuständigen Erprobungsrichterin vom Amtsgericht: "Es sei auch nicht ohne weiteres einzusehen, weshalb einem Verfahrensbevollmächtigten, dem ein Vergleich ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder Mitwirkung an einer solchen Besprechung quasi "in den Schoß fällt" eine fiktive Terminsgebühr verdienen solle, die zur angefallenen Einigungsgebühr ohnehin hinzutreten würde."
Voraussetzung für eine fiktive Terminsgebühr nach Anm. I Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG ist ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung. Der BGH hat entschieden, dass es sich beim Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung um ein ...