Rz. 22

Gerade in familienrechtlichen Verfahren ist die Bedeutung von Verfahrenskostenhilfe (VKH) sehr groß. Die angespannte wirtschaftliche Lage der Eheleute ist ein wichtiger Trennungsgrund. Rechtsschutzversicherungen kommen grundsätzlich für die Kosten familienrechtlicher Streitigkeiten nicht auf. Der bedürftige Unterhaltsgläubiger wird die Kosten, die zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche erforderlich sind, meistens nicht aufbringen können.

 

Rz. 23

Das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts ist zum 1.1.2014 in Kraft treten. Ein wichtiger Grund zur Änderung der bisherigen Regelungen war die hohe Kostenbelastung, die für den Staat mit PKH bzw. VKH verbunden ist. So stiegen die Gesamtausgaben für die Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe in den Jahren 2005–2010 von 380.337.087 EUR auf 410.746.208 EUR![19]

 

Rz. 24

Es gehört zu den anwaltlichen Pflichten, in geeigneten Fällen den Mandanten auf die Möglichkeit der Verfahrenskostenhilfe hinzuweisen.[20] VKH ist eine Sozialleistung des Staates; sie bezweckt die weitgehende Gleichstellung von Bemittelten und Unbemittelten beim Zugang zu den Gerichten. Niemand soll aus wirtschaftlichen Gründen daran gehindert sein, sein Recht vor Gericht zu erkämpfen.

Unterhaltssachen sind Familienstreitsachen nach § 112 Nr. 1 FamFG; in Familienstreitsachen gelten die §§ 7678 FamFG aufgrund von § 113 Abs. 1 FamFG nicht. Folglich richten sich die Bewilligungsvoraussetzungen der VKH in Unterhaltssachen nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. §§ 114 bis 127 ZPO. Das VKH-Verfahren ist ein nicht-streitiges Antragsverfahren; es gilt in diesem Verfahren der Amtsermittlungsgrundsatz. Nach § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO ist aber dem Verfahrensgegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er die Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für gegeben hält, soweit dies aus besonderen Gründen nicht unzweckmäßig erscheint.

 

Rz. 25

Die gegenüber dem alten Recht geänderte Formulierung der Vorschrift ist dahin zu verstehen, dass das Gericht den Verfahrensgegner auch auf die Gelegenheit zur Äußerung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers hinweisen soll. Gerade in familienrechtlichen Verfahren verspricht sich der Gesetzgeber dadurch wertvolle Informationen, da der Verfahrensgegner oftmals über profunde Kenntnisse der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des VKH-Antragstellers verfügt.

Das VKH-Verfahren wird damit nicht mehr als reines Verwaltungsverfahren zwischen dem jeweiligen Antragsteller und dem Justizfiskus zu begreifen sein.[21] Vielmehr sind verstärkt auch die Interessen des Antragsgegners zu berücksichtigen, nämlich nicht aufgrund staatlicher Unterstützung mit einem Verfahren überzogen zu werden, das ein anderer Antragsteller angesichts des Risikos, die Verfahrenskosten selbst tragen zu müssen, verständigerweise nicht einleiten würde. Insbesondere in familienrechtlichen Verfahren werden sehr oft Kosten gegeneinander aufgehoben. Dies bedeutet, dass der Beteiligte, dem VKH ohne Raten bewilligt wird, den anderen Beteiligten, der Selbstzahler ist oder seinerseits nur VKH gegen Ratenzahlung erhält, durch immer neue Verfahren oder aber durch das Notwendigmachen von Gutachten, Umgangspflegern oder Verfahrensbeiständen nicht nur massiv ärgern, sondern auch mit erheblichen Kosten belasten kann.

[19] Vgl. dazu Giers, FamRZ 2013, 1341.
[20] BVerfG-Ka NJW 2000, 2494.
[21] Vgl. dazu Viefhues, FuR 2013, 489.

1. Der VKH-Antrag

a) Einleitung eines erstinstanzlichen familiengerichtlichen Verfahrens

aa) Der Antrag gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. §§ 114, 117 ZPO

 

Rz. 26

Die Bewilligung von VKH setzt zunächst einen entsprechenden Antrag voraus.

Zuständig für die VKH-Bewilligung ist das Prozessgericht, d.h. das Gericht der Hauptsache, vgl. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m.§ 117 Abs. 1 ZPO. Der VKH-Antrag für ein erstinstanzliches Verfahren ist damit beim Amtsgericht – Familiengericht zu stellen.

Der Antrag ist zwar nicht fristgebunden, muss aber spätestens bis zum Abschluss der Instanz bei Gericht gestellt werden, da die VKH nach § 114 S. 1 ZPO für eine "beabsichtigte" Rechtsverfolgung gewährt wird. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, müssen aber noch die zur Klärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erforderlichen Unterlagen nachgereicht werden, kann eine "nachträgliche" Bewilligung erfolgen, wenn das Gericht sich trotz Verfahrensabschluss damit einverstanden erklärt hat.[22] Ein (verspäteter) Antrag nach Abschluss der Instanz wird nicht bearbeitet.

 

Rz. 27

VKH wird gewährt für eine "Prozessführung", vgl. § 114 S. 1 ZPO. Erforderlich ist also ein gerichtliches Verfahren.

Damit kommt in Unterhaltssachen VKH insbesondere in Betracht für

die Durchführung des vereinfachten Verfahrens nach §§ 249 ff. FamFG,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Unterhaltsanordnung, vgl. §§ 49 ff.; 246248 FamFG,
einen Antrag auf Arrest,
einen isolierten Auskunftsantrag zwecks Klärung von Unterhaltsansprüchen,
Stufenanträge,
Unterhaltshauptsacheverfahren,
Unterhaltsabänderungsverfahren nach §§ 238, 239 FamFG.
 

Rz. 28

Die Behandlung von Stufenanträgen bei der Verfahrenskostenhilfe ist umstr...

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