Rz. 163

(1)

Scheidungsantrag (Wert: 3.000,00 EUR) und Widerantrag auf Scheidung oder Eheaufhebung (Wert: 3.000,00 EUR).

Ist der Wert des Verfahrens 3.000,00 EUR oder 6.000,00 EUR?

(2)

Es liegt ein Unterhaltstitel auf monatlich 500,00 EUR vor. Die Antragstellerin fordert Erhöhung auf 650,00 EUR, der Antragsgegner verlangt durch den Widerantrag Ermäßigung um 250,00 EUR.

Ist der Gegenstandswert 3.000,00 EUR (12 × 250,00 EUR) oder 4.800,00 EUR (12 × 250,00 EUR + 12 × 150,00 EUR)?

(3)

Zugewinnantrag auf 20.000,00 EUR, Widerantrag auf 15.000,00 EUR Zugewinn.

Ist der Wert 20.000,00 EUR oder 35.000,00 EUR?

 

Rz. 164

Zur Bewertung von Klage/Anträgen und Widerklagen/Wideranträgen enthält das FamGKG in § 39 Bestimmungen, die dem § 33 FamGKG vorgehen. § 39 FamFG stimmt vollständig mit § 45 GKG überein, so dass die bisherige Rechtsprechung herangezogen werden kann.

 

Rz. 165

Ob die Ansprüche zusammenzurechnen sind oder ob nur einer, nämlich der höhere, den Wert bildet, hängt also davon ab, ob Klage und Widerklage "den selben Gegenstand" betreffen. Hierzu hat die Rechtsprechung die sog. Identitätsformel entwickelt: "Derselbe Gegenstand" liegt dann vor, wenn sich die beiderseitigen Ansprüche dergestalt ausschließen, dass die Zuerkennung des einen notwendig die Aberkennung des anderen Anspruchs bedingt. Ist das der Fall, findet keine Wertaddition statt. Nicht "derselbe Gegenstand" liegt vor, wenn die mehreren Ansprüche nebeneinander bestehen können, so dass das Gericht u.U. beiden Ansprüchen stattgeben kann. Dann werden die Werte von Antrag und Widerantrag zusammengezählt. Der Umstand, dass beide Anträge abgewiesen werden können, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.[245]

 

Rz. 166

Würde man die Identitätsformel auf die eingangs geschilderten Fälle anwenden, ergäbe sich, dass Scheidungsantrag und Scheidungswiderantrag nicht identisch sind (das Gericht kann beiden stattgeben), wohl aber Scheidungsantrag und Aufhebungsantrag (ist der Aufhebungsantrag begründet, wird die Ehe aufgehoben und nicht geschieden). Es würde sich weiter ergeben, dass beim Unterhalt Identität besteht, also nur der höhere Wert anzusetzen ist. Das Gleiche würde beim Zugewinn gelten.

Diese Ergebnisse sind nicht richtig. Die Identitätsformel ist hier nicht anwendbar.

[245] BGHZ 43, 31, 33.

a) Antrag und Widerantrag in den Ehesachen, Hilfsantrag

 

Rz. 167

Scheidungsantrag und Scheidungswiderantrag sind derselbe gebührenrechtliche Gegenstand, wenn sie im gleichen Verfahren geltend gemacht werden, die Werte werden also nicht zusammengezählt (§ 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG).[246] Sind zwei getrennte Verfahren eingeleitet, sind es bis zur Verbindung zwei Angelegenheiten.[247] Stehen sich der Antrag auf Ehescheidung und auf Eheaufhebung als Antrag und Widerantrag gegenüber, handelt es sich um zwei Gegenstände, deren Werte zusammenzurechnen sind. (str.)[248]

Ein anderer Fall ist in der öfter zitierten Entscheidung des OLG München angesprochen.[249] In diesem Fall hatte der Antragsteller Eheaufhebung, hilfsweise Ehescheidung beantragt. Da die Aufhebungsgründe nicht erwiesen werden konnten, nahm er den Aufhebungsantrag zurück und stellte den Scheidungsantrag. Für diesen Fall nahm das OLG München einen prozessualen Gegenstand an (weil die Anträge nacheinander und nicht nebeneinander gestellt wurden). Dieser Gesichtspunkt ergibt sich aber aus § 5 ZPO, der aber nicht für den Gebührenwert gilt. Beim übergang vom Eheaufhebungsantrag zum Ehescheidungsantrag liegt gebührenrechtlich eine Angelegenheit vor; streitig ist insoweit, ob zwei Gegenstände vorliegen oder ob nur ein Gegenstand zu bewerten und anzusetzen ist.[250] M.E. sind es zwei Gegenstände.

Die Gegenmeinung – nur ein Gegenstand – beruft sich zu Unrecht darauf, dass das gleiche Interesse – Lösung der ehelichen Bindung – vorliege; es wird übersehen, dass sich das Interesse durchaus auf die unterschiedlichen Folgen dieser Lösung richtet.

 

Rz. 168

Ist der Wert von Scheidungsantrag und Scheidungswiderantrag unterschiedlich hoch (z.B. weil sich die Einkommens-/Vermögensverhältnisse geändert haben), gilt der höhere Wert (§ 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG).

[246] HK-FamGKG/Thiel, Verfahrens-ABC Rn 277; Gerold/Schmidt/Mayer, § 15 Rn 45.
[247] Nach Madert/Müller-Rabe/Madert, (B Rn 24) gilt das nur, wenn die Verfahren bei verschiedenen Gerichten anhängig gemacht wurden; dagegen Gerold/Schmidt/Mayer, § 15 Rn 51 (eine Angelegenheit erst ab Verbindung der Verfahren).
[248] Zutreffend wird von zwei Gegenständen ausgegangen: OLG Zweibrücken FamRZ 2002, 255 m.w.N.; HK-FamGKG/N. Schneider, § 39 Rn 10 und HK-FamGKG/Volpert, § 14 Rn 74; Herget/Schneider/Thiel, Rn 7132; a.A. (nur ein Gegenstand) KG FamRZ 2011, 667 (das Ziel beider Anträge sei auf das gleiche Interesse = Lösung der ehelichen Bindung gerichtet – das ist unzutreffend; das "Interesse" richtet sich auch auf die durchaus unterschiedlichen Folgen der "Lösung der ehelichen Bindung!").
[249] Hierzu OLG München JurBüro 1995, 138; ebenso KG FamRZ 2011, 667: Beide Gerichte betonen, dass eine Angelegenheit vorliegt, was ohnehin klar ist, weil es sich um ein Gerichtsve...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?