Rz. 216
Grundsätzlich kann ein Testament errichten, wer das 16. Lebensjahr vollendet hat, §§ 2229 Abs. 1, 2233 Abs. 1 BGB. Zum Abschluss eines Erbvertrags ist allerdings unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erforderlich, § 2275 Abs. 1 BGB. Ein Minderjähriger kann mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters einen Erbvertrag schließen, § 2275 Abs. 2 BGB.
Rz. 217
Die Tatsache, dass der Erblasser unter Betreuung stand, sagt grundsätzlich nichts über seine Testierfähigkeit aus. Hat der unter Betreuung stehende Erblasser "lichte Momente" (lucida intervalla), so kann er trotzdem eine Verfügung von Todes wegen während einer solchen "Phase" errichten. Probleme ergeben sich in solchen Fällen für die Beweisführung bezüglich der Testierunfähigkeit (siehe Rdn 227 ff.).
Rz. 218
Auch Rauschgiftsucht und Psychopathie schließen die Testierfähigkeit grundsätzlich nicht aus.
Rz. 219
Schwierig sind Fälle der altersbedingten Einschränkung bzw. des altersbedingten Wegfalls der Testierfähigkeit, weil hier häufig keine eindeutigen medizinischen Diagnosen möglich sind. Alters- oder krankheitsbedingte Demenz sind häufig langwierige Krankheitsentwicklungen, deren Progredienz sehr unterschiedlich verläuft (Morbus Alzheimer, Cerebralsklerose).
Rz. 220
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine Klassifikation von Krankheiten u.Ä. vorgenommen: Medizinische Klassifikationsliste: Die ICD-10 (ICD = International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) ist die 10. Version der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme. Sie beinhaltet Codes für Krankheiten, Anzeichen und Symptome, auffällige Befunde, Beschwerden, soziale Umstände und äußere Ursachen von Verletzungen oder Krankheiten.
Die ICD-10 wurde am 1.1.2022 durch die ICD-11 ersetzt. Über den konkreten Zeitpunkt einer Einführung der ICD-11 in den klinischen Alltag in Deutschland sind jedoch noch keine Aussagen möglich. Sie wird wohl erst in fünf Jahren angewandt. Bis dahin wird mit ICD-10 gearbeitet.
Rz. 221
Die Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments setzt Testierfähigkeit bei beiden Ehegatten voraus. Ist einer der Ehegatten testierunfähig, so kann eine Bindungswirkung nach § 2270 Abs. 1 BGB nicht eintreten. Inwieweit die Verfügung des anderen Ehegatten als Einzeltestament aufrechterhalten werden kann, ist durch Auslegung zu ermitteln.
Entsprechendes gilt für eingetragene Lebenspartner, die nach § 10 Abs. 4 LPartG ebenfalls ein gemeinschaftliches Testament errichten können.