Rz. 95
Der Erbvertrag hat, soweit Bindung besteht, gem. § 2289 BGB eine Beschränkung der Testierfreiheit des Erblassers zur Folge. § 2289 BGB hat insofern eine zentrale Bedeutung im Recht des Erbvertrags. Nach dieser Vorschrift hat die Errichtung eines Erbvertrages im Verhältnis zu anderen Verfügungen von Todes wegen die nachfolgend beschriebenen Wirkungen. Erbvertragliche Verfügungen sind nach geltendem Recht gem. § 2278 Abs. 2 BGB auf Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und Rechtswahl beschränkt.
a) Vor dem Erbvertrag errichtete Verfügung von Todes wegen
Rz. 96
Ein bestehendes Testament wird durch den später abgeschlossenen Erbvertrag aufgehoben, soweit dadurch das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigt wird, § 2289 Abs. 1 S. 1 BGB (Aufhebungswirkung).
Rz. 97
Ein Erbvertrag, der zwischen denselben Personen geschlossen worden war, wird unwirksam, soweit er dem zweiten widerspricht; es gilt der Letzte. Damit wird im zweiten Erbvertrag eine ganze oder teilweise einverständliche Vertragsaufhebung nach § 2290 BGB gesehen.
b) Nach dem Erbvertrag errichtete Verfügung von Todes wegen
Rz. 98
Sowohl ein späteres Testament als auch ein späterer Erbvertrag sind insoweit absolut unwirksam, als die Rechtsstellung des vertragsmäßig Bedachten im Zeitpunkt des Erbfalls beeinträchtigt wird, § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB.
c) Begriff der Beeinträchtigung
Rz. 99
Geschützt wird das Recht des vertragsmäßig Bedachten. Würde die anderweitige Verfügung von Todes wegen diese Rechtsstellung mindern, beschränken, belasten oder gegenstandslos machen, so ist eine Beeinträchtigung gegeben. Ob eine nur wirtschaftliche Beeinträchtigung ausreicht, ist umstritten. Es dürfte auf die nachteilige Veränderung der rechtlichen Position des vertragsmäßig Bedachten ankommen; beispielsweise wenn der Erblasser nach Abschluss des Erbvertrages eine Testamentsvollstreckung anordnen will. Damit würde die Rechtsstellung des vertragsmäßig Bedachten beschränkt werden, insbesondere im Hinblick auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bezüglich der einzelnen Nachlassgegenstände, §§ 2205, 2211 BGB. Umstritten ist, ob es für die Feststellung einer Beeinträchtigung i.S.d. § 2289 Abs. 1 BGB allein auf einen Vergleich aus rechtlicher Sicht ankommt oder ob auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssen. Gegen die Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte hat sich der BGH ausgesprochen. Danach kommt es ausschließlich auf die Beeinträchtigung in rechtlicher Hinsicht an.
d) Zustimmung des vertraglich Bedachten
Rz. 100
Die Zustimmung des vertraglich Eingesetzten zu einer späteren Verfügung von Todes wegen gibt dem Erblasser seine Testierfreiheit wieder zurück. Die Zustimmung bedarf der notariellen Beurkundung, weil darin eine ganze oder teilweise Aufhebung des Erbvertrags zu sehen ist, §§ 2290, 2291 Abs. 4, 2276 BGB. Unter Ehegatten/Lebenspartnern genügt die Form des gemeinschaftlichen Testaments, § 2292 BGB.
Rz. 101
Für ein vertragsmäßig angeordnetes Vermächtnis oder eine Auflage sieht das Gesetz ausdrücklich die Möglichkeit einer anderweitigen Verfügung nach vorausgegangener Zustimmung des Bedachten in § 2291 BGB vor. Auch hierfür ist eine notarielle Beurkundung erforderlich, § 2291 Abs. 2 BGB. Allerdings könnte demjenigen, der formlos zugestimmt hat und der sich auf das fehlende Formerfordernis beruft, ein Verstoß gegen Treu und Glauben entgegengehalten werden (venire contra factum proprium).