Rz. 267
Nach der Rechtsprechung besteht ein Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) für die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Testaments des Betreuten, wenn für diesen aufgrund der bestehenden Testierunfähigkeit keine andere rechtliche Möglichkeit besteht, das unwirksame Testament zu widerrufen. Der Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge handelt nicht pflichtwidrig, wenn er als gesetzlicher Vertreter des Betreuten Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des vom Betreuten errichteten Testaments erhebt, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Betreute bei Testamentserrichtung testierunfähig war.
Rz. 268
Begründet wird dies mit der Rechtsprechung des BGH, der es für zulässig erachtet, dass ein Pflichtteilsberechtigter bereits zu Lebzeiten des Erblassers Feststellungsklage erheben darf, um die in einer letztwilligen Verfügung zu seinen Lasten angeordnete Entziehung des Pflichtteils anhand dort geschilderter Vorfälle einer richterlichen Überprüfung zu unterziehen. Bereits in einer früheren Entscheidung hat der BGH das Recht des Erblassers bejaht, noch zu seinen Lebzeiten feststellen zu lassen, dass ihn ein bestimmter Vorfall zur Entziehung des Pflichtteils berechtige.
Bejaht man aber ein rechtliches Interesse des Erblassers sowohl zu Lebzeiten wie auch nach seinem Tode, dass nur der von seinem wahren Testierwillen und seiner Testierfähigkeit bestimmte Dritte Erbe seines Vermögens sein soll, gehört die Verfolgung dieser Vermögensinteressen zum Aufgabenbereich der Vermögenssorge (so das LG Traunstein).
Dafür spricht weiterhin § 2282 Abs. 2 BGB, wonach ein Betreuer für einen geschäftsunfähigen Erblasser einen Erbvertrag wegen Irrtums i.S.v. §§ 2078, 2079 BGB anfechten kann. Dafür bedarf der Betreuer der Genehmigung des Betreuungsgerichts, § 1851 Nr. 4 BGB (bis 31.12.2022: § 2282 Abs. 2 Hs. 2 BGB a.F.) Selbst für den Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament wird nach Literaturmeinung bei einem testierunfähig gewordenen noch lebenden Ehegatten analog § 2282 Abs. 2 BGB eine Anfechtung jener wechselbezüglichen Verfügungen des testierunfähig gewordenen Ehegatten, gesetzlich vertreten durch den Betreuer, bejaht, sofern Anfechtungstatbestände nach §§ 2078, 2079 BGB vorliegen.
Wenn aber von einem Betreuer sogar ein Gestaltungsrecht ausgeübt werden kann, das zur Nichtigkeit eines (zunächst wirksamen) Rechtsgeschäfts führt, dann muss erst recht die Feststellung der Nichtigkeit, die eo ipso besteht, möglich sein.
Rz. 269
Berücksichtigt man, dass als Betreuer in der Regel Familienangehörige bestellt sind, die gleichzeitig zum Kreis der gesetzlichen Erben und Pflichtteilsberechtigten gehören, so können sie auf diese Weise vor dem Tod des Erblassers Einfluss auf ihr eigenes gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht nehmen.