Rz. 523
Sind in einer einheitlichen Urkunde verschiedene Verträge zusammengefasst und ist einer dieser Verträge – aus welchem Grund auch immer – nichtig, so erfasst nach der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt des § 139 BGB diese Nichtigkeit im Grundsatz auch die anderen Verträge, wenn von einem Einheitlichkeitswillen der Vertragsschließenden auszugehen ist.
Zur Annahme des für § 139 BGB maßgebenden Einheitlichkeitswillens ist nicht nötig, dass zwischen den mehreren Geschäften ein rechtlicher Zusammenhang bereits durch rechtsgeschäftliche Bedingungen hergestellt wird. Nach gefestigter Rechtsprechung kann ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne des § 139 BGB auch bei einer Mehrheit von äußerlich getrennten, insbesondere in getrennten Urkunden niedergelegten Geschäften vorliegen, wenn nämlich der Wille der Vertragsparteien darauf gerichtet ist, dass die äußerlich getrennten Geschäfte miteinander stehen und fallen sollen. Einheitlichkeit im Sinne von § 139 BGB wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Rechtsgeschäfte verschiedenen juristischen Geschäftstypen angehören. § 139 BGB gilt auch dann, wenn ein Teil eines einheitlichen Rechtsgeschäfts wirksam angefochten wird; auch in diesem Fall ist in der Regel das ganze Rechtsgeschäft nichtig.
Dazu der BGH im Urt. v. 20.5.1966 – V ZR 214/64:
Zitat
"…Zur Annahme des für BGB § 139 maßgebenden Einheitlichkeitswillens … genügt der unter Berücksichtigung der Interessen aller Vertragsschließenden und ihres erklärten Willens mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (BGB § 157) zu ermittelnde Einheitlichkeitswille der Beteiligten zur Zeit des Vertragsschlusses. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang genügt zwar für sich allein noch nicht, um die Einheitlichkeit i.S.d. BGB § 139 zu begründen; er kann jedoch ein maßgebendes Indiz für das Vorliegen des entscheidenden Parteiwillens zur Einheitlichkeit sein."
OLG Stuttgart, FamRZ 1987, 1034:
Zitat
"Schließen Verlobte einen Ehevertrag über den Ausschluß der Zugewinngemeinschaft und gleichzeitig einen Erbvertrag und sind beide Vorgänge in derselben Urkunde enthalten, so erstreckt sich die Nichtigkeit des Erbvertrages gem. BGB § 139 auch auf den Ehevertrag, wenn die Vermutung der Einheitlichkeit des Rechtsgeschäftes nicht von demjenigen Vertragsteil, der sie in Abrede stellt, entkräftet wird."
Rz. 524
Die Inhaltskontrolle von Eheverträgen hat der BGH in vielen Urteilen mehr und mehr ausdifferenziert. Zu der Frage, ob die Nichtigkeit oder die Notwendigkeit der Anpassung eines Ehevertrags auch einen damit verbundenen Pflichtteilsverzicht oder andere erbrechtliche Verfügungen erfasst, hat der BGH jedoch bisher noch nicht Stellung nehmen müssen.
Unter Zugrundelegung der zuvor wiedergegebenen Grundsätze der Rechtsprechung zu § 139 BGB ist davon auszugehen, dass ein unwirksamer Ehevertrag auch einen Erb- und Pflichtteilsverzicht erfasst, wenn sie in derselben Urkunde zusammen beurkundet wurden.