Rz. 492
Ein formal richtig gestellter und durch Zustellung rechtshängig gewordener Scheidungs- oder Eheaufhebungsantrag ist Voraussetzung für den Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts, §§ 124, 133 FamFG, §§ 253, 261 ZPO. Die Gleichstellung mit den Rechtsfolgen einer rechtskräftigen Auflösung der Ehe beruht auf der Überlegung, dass die Beteiligung des überlebenden Ehegatten am Nachlass nach Rechtshängigkeit eines auf Beendigung der Ehe gerichteten gerichtlichen Verfahrens nicht mehr von dem Zufall abhängen soll, ob der Erblasser die Rechtskraft eines eheauflösenden Urteils noch erlebt, § 131 FamFG. Es entspricht deshalb dem mutmaßlichen Willen des Erblassers, den Ausschluss des gesetzlichen Erbrechts des Ehegatten schon an die auf Ehescheidung gerichteten Prozesshandlungen des Erblassers zu knüpfen. Die Regelung in § 2077 BGB ist auch verfassungsgemäß.
Dazu das BVerfG:
Zitat
"Art. 6 Abs. 1 GG wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass die vorzeitige Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung zugunsten des Ehegatten in § 2077 Abs. 1 S. 1 BGB voraussetzt, dass die Scheidungsvoraussetzungen vorliegen und beide Ehegatten zu erkennen gegeben haben, dass sie ihre Ehe als gescheitert ansehen und deshalb nicht mehr an ihr festhalten wollen."
Rz. 493
Kein Antrag i.S.v. § 1933 BGB stellt der reine Verfahrenskostenhilfeantrag dar. Bei einverständlicher Scheidung ist streitig, ob die Einigung gem. § 133 Abs. 1 Nr. 2 FamFG Voraussetzung für den Ausschluss des Erbrechts gem. § 1933 BGB ist. Teilweise wird vertreten, ohne Einigung über die Folgesachen (§ 133 Abs. 1 Nr. 2 FamFG) und allein auf der Basis der Zerrüttungsvermutung komme ein Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts nicht in Betracht. Andererseits wird vertreten, auf die Einigung i.S.v. § 133 Abs. 1 Nr. 2 FamFG komme es nicht an, weil diese Voraussetzung in § 1933 BGB nicht genannt sei.
Bei Rücknahme des Scheidungs- oder Eheaufhebungsantrags fallen die Wirkungen des § 1933 BGB wieder weg. Auch das langjährige Nichtbetreiben des Verfahrens durch den Antragsteller kann im Sinne dieser Rechtsfolge als Rücknahme gewertet werden. A.A. OLG Stuttgart und OLG Frankfurt.
Rz. 494
Das Nichtbetreiben des Scheidungsverfahrens über die Dauer von 21 Jahren ist als Rücknahme des Scheidungsantrags zu werten, das Ausdruck der endgültigen Aufgabe des Scheidungswillens des Erblassers ist.
§ 1933 BGB ist schon dann anwendbar, wenn zur Zeit des Erbfalls ein rechtshängiger Scheidungsantrag vorlag. Die Wirkungen des § 1933 BGB entfallen nicht dadurch, dass der Prozessbevollmächtigte des Erblassers den Scheidungsantrag nach dessen Tod zurücknimmt.
Die abstrakte Möglichkeit, die Ehegatten hätten sich bis zur Rechtskraft eines Scheidungsurteils wieder versöhnen können, lässt die Voraussetzungen des § 1933 Abs. 1 BGB nicht entfallen. Die abstrakte Möglichkeit des überlebenden Ehegatten, im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht den Scheidungsantrag zurückzunehmen oder die Zustimmung zu widerrufen, hindert den Ausschluss des Ehegattenerbrechts nicht.