Rz. 500
Das Gesetz geht davon aus, dass Eheleute, hätten sie mit dem Scheitern ihrer Ehe gerechnet, entsprechend der Lebenserfahrung kein gemeinschaftliches Testament errichtet hätten. Gem. § 2268 Abs. 1 BGB ordnet daher die Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments für den Fall des Scheiterns der Ehe an. § 2268 Abs. 2 BGB gibt die Möglichkeit zur Aufrechterhaltung einzelner Verfügungen, wenn sich diese Lebenserfahrung im Einzelfall nicht verwirklicht. Nach h.M. ist § 2268 Abs. 1 BGB dispositive Auslegungsregel, nach a.A. dispositiver Rechtssatz. Sie gilt auch für ein von eingetragenen Lebenspartnern verfasstes gemeinschaftliches Testament (§ 10 Abs. 4 S. 2 LPartG). Die entsprechende Anwendbarkeit des § 2077 Abs. 1 und Abs. 3 BGB für den Fall der Aufhebung der Lebenspartnerschaft (§ 15 LPartG) folgt aus § 10 Abs. 5 LPartG.
Rz. 501
In den Eheauflösungsfällen des § 2077 BGB wird das gemeinschaftliche Testament insgesamt unwirksam. § 2268 Abs. 1 BGB ist die speziellere Vorschrift gegenüber § 2077 Abs. 1 S. 1 und § 2077 Abs. 3 BGB. Die Unwirksamkeit erstreckt sich also sowohl auf wechselbezügliche Verfügungen als auch auf nicht wechselbezügliche Verfügungen und Verfügungen zugunsten Dritter.
aa) Auflösung der Ehe
Rz. 502
§ 2268 BGB verweist auf § 2077 BGB und damit auf die Aufhebung der Ehe (§ 1313 S. 2 BGB), die Auflösung im Falle der Wiederverheiratung nach zu Unrecht erfolgter Todeserklärung (§ 1319 Abs. 2 S. 2 BGB) sowie die Scheidung (§ 1564 S. 2 BGB). Für diese Fälle ordnet § 2268 Abs. 1 BGB die Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments an.
bb) Aufhebungsantrag/Scheidungsantrag/Zustimmung zur Scheidung
Rz. 503
Neben den zuvor genannten Auflösungsfällen umfasst die Verweisung auf § 2077 BGB auch die in § 2077 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB der Auflösung gleichgestellten Fälle. Demnach führt eine wirksam erhobene und begründete Aufhebungsklage ebenso wie ein bereits zugestellter und begründeter Scheidungsantrag zur Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments. Hat der andere Ehegatte der Scheidung nach Maßgabe des § 1566 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 133 Abs. 1 Nr. 2 FamFG zugestimmt, ist das gemeinschaftliche Testament ebenfalls unwirksam.
Stirbt der andere Ehegatte während des von der Gegenseite betriebenen Aufhebungs-/Scheidungsverfahrens, so ist § 2077 BGB wegen seines eindeutigen Wortlauts nicht anwendbar. Deshalb kann dies die Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments nach § 2268 Abs. 1 BGB nicht begründen. Teilweise wird eine analoge Anwendung der Norm vorgeschlagen. Wird eine Analogie verneint, so wird zumeist die Auslegung oder eine Anfechtung nach § 2078 Abs. 2 BGB (Motivirrtum – Irrtum über den in der Zukunft liegenden Umstand der Ehescheidung) darüber hinweghelfen können.
cc) Scheidung und Wiederheirat
Rz. 504
Lassen sich Eheleute, die ein gemeinschaftliches Testament errichtet haben, sich scheiden und heiraten sie danach einander wieder, so kann ein gemeinschaftliches Testament, das sie vor der Scheidung errichtet hatten, auch nach der Wiederheirat weiterhin Geltung haben.
dd) Aufrechterhaltungswille – § 2268 Abs. 2 BGB
Rz. 505
Für die Fälle der Eheauflösung und die ihr gleichgestellten Fälle wird das Alles-oder-nichts-Prinzip des § 2268 Abs. 1 abgemildert. Die Verfügungen bleiben insoweit wirksam als anzunehmen ist, dass sie auch für einen solchen Fall getroffen sein würden. Die Aufrechterhaltung ist also keine Folge einer Umdeutung; die Verfügung bleibt vielmehr von vornherein wirksam. Für die Aufrechterhaltung kommt es auf den wirklichen oder hypothetischen Willen des Testators zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung an. Enthält ein gemeinschaftliches Testament für den Überlebenden eine Öffnungsklausel, d.h. die Möglichkeit, frei von Todes wegen zu verfügen, so ist grundsätzlich ein Fortgeltungswillen auszuschließen. Später eingetretene Tatsachen können lediglich als Indizien für den wirklichen oder hypothetischen Willen zum Zeitpunkt der Abfassung der Verfügung herangezogen werden.