Rz. 10
Ein Erbprätendent kann gegen einen anderen Erbprätendenten Klage auf Feststellung seines testamentarischen Miterbenrechts erheben; ihm steht ein Rechtsschutzbedürfnis an der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens seines Miterbenrechts zu. Dem steht nicht entgegen, dass ein Urteil im streitigen Verfahren nur zwischen den Parteien wirkt und keine Bindungswirkung für das Erbscheinsverfahren mit seinen weiteren Beteiligten, den im Testament genannten Erben, entfaltet.
Dem Rechtsschutzbedürfnis an der Feststellungsklage steht auch nicht entgegen, dass bereits ein umfangreiches Erbscheinsverfahren durchgeführt wurde, in dem auch über die Wirksamkeit des Testaments und die Testierfähigkeit des Erblassers Beweis erhoben wurde. Denn das Ergebnis des Erbscheinsverfahrens hat mangels einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung keine Bindungswirkung für einen nachfolgenden streitigen Prozess über die Feststellung des Erbrechts bzw. der Miterbenstellung des Klägers.
Miterben, die auf Feststellung der Miterbenstellung des Klägers verklagt werden, sind keine notwendigen Streitgenossen. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass weitere im Testament genannte Erben vorhanden sind, die (teilweise) auch die Erbenstellung des Klägers bestreiten.
Rz. 11
Dem Erbschein kommt in dem vor dem Prozessgericht geführten Rechtsstreit zweier Erbprätendenten keine Wirkung zu. Die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins gem. § 2365 BGB stellt eine Rechtsvermutung und keine Tatsachenvermutung dar.
Bindung des Nachlassgerichts: Wird in einem Erbscheinsverfahren ein Prozessurteil mit feststellender Wirkung über das Erbrecht vorgelegt, so hat das Nachlassgericht bei der Erbscheinserteilung dessen Rechtskraft zu beachten: Das Feststellungsurteil bindet das Nachlassgericht nur im Umfang seiner Rechtskraftwirkung, folglich nur, wenn es zwischen allen Beteiligten des Erbscheinsverfahrens in Rechtskraft erwachsen ist, diese also auch die Parteien des Rechtsstreits waren.
Wegen der subjektiven Grenzen der Rechtskraft (§ 325 Abs. 1 ZPO) ist das Nachlassgericht an das Urteil nicht gebunden, wenn dieses nur zwischen einzelnen Erbprätendenten wirkt oder wenn das Nachlassgericht einen Erbschein an einen am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten erteilen will.
Ein Feststellungsurteil über ein bestehendes Erbrecht hat im Erbscheinsverfahren auch dann Bindungswirkung, wenn es als Versäumnisurteil ergangen ist. Die Bindungswirkung des Versäumnisurteils kann nur dann entfallen, wenn es sich aufgrund späterer Erkenntnisse des Nachlassgerichts als falsch herausstellt und dessen Ausnutzung durch den siegreichen Erbprätendenten im Erbscheinsverfahren ausnahmsweise als sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB zu bewerten ist.
Rz. 12
Eine Verfassungsbeschwerde gegen eine letztinstanzliche Entscheidung im Erbscheinsverfahren ist unzulässig, da der Erbprätendent zunächst mit der Erbenfeststellungsklage den Rechtsweg vor den Fachgerichten ausschöpfen muss.
Rz. 13
Mit Wirkung seit dem 1.1.2021 wurden bei den Landgerichten Spezialkammern (§ 72a Abs. 1 Nr. 6 GVG) und bei den Oberlandesgerichten Spezialsenate (§ 119a Abs. 1 Nr. 6 GVG) für erbrechtliche Streitigkeiten gebildet. Diese Sonderzuständigkeit gilt für Rechtsstreitigkeiten, die seit dem 1.1.2021 anhängig geworden sind (vgl. § 40a EGGVG).
Rz. 14
Befinden sich Immobilien im Nachlass und ist das Grundbuch zu berichtigen, so kann nach § 35 GBO der Unrichtigkeitsnachweis nur durch einen Erbschein oder eine zweifelsfreie notarielle Verfügung von Todes wegen geführt werden (Nachweistypenzwang). Das bedeutet, dass selbst ein rechtskräftiges Erbenfeststellungsurteil zur Berichtigung des Grundbuchs nicht ausreicht! Etwas anderes gilt für ein stattgebendes Urteil auf Bewilligung der Grundbuchberichtigung, da es dann auf den Unrichtigkeitsnachweis nicht mehr ankommt.