Dr. iur. Manuela Astfalck
Rz. 18
Sofern Ehegatten keine Rechtswahl getroffen haben, ist Art. 4 Abs. 1 EGBGB zu beachten. IPR ist nationales von Land zu Land abweichendes Recht. Die Anknüpfungspunkte der Kollisionsnormen der einzelnen Staaten können voneinander abweichen (z.B. Personalstatut, gewöhnlicher Aufenthalt oder Staatsangehörigkeit). Wenn in einer deutschen Kollisionsnorm auf ausländisches Recht verwiesen wird, so erfolgt die Verweisung nicht nur in die Sachnorm, sondern auch in die Kollisionsnormen, sog. Gesamtverweisung. Das deutsche Gericht muss somit auch die Normen der fremden Rechtsordnung anwenden. Erfolgt in dieser Rechtsordnung erneut eine Verweisung ins deutsche Recht, so wird diese angenommen und führt zu einer Rückverweisung (auch "renvoi" genannt) ins deutsche Recht. Es kann durch die ausländische Norm auch in eine dritte Rechtsordnung verwiesen werden, sog. Weiterverweisung. Dieser Verweisung ist ebenfalls zu folgen. Nach dieser Konstellation kann es zu einer endlosen Hin- und Her – Verweisung kommen, so dass die Kette an einer Stelle unterbrochen werden muss. Gemäß Art. 4 Abs. 1 S 2 EGBGB ist die Rückverweisung durch das fremde IPR selbst dann auf die deutschen Sachvorschriften zu beziehen, wenn das fremde IPR an sich ebenfalls eine Gesamtverweisung ausspricht, also seinerseits von einer Rückverweisung durch das deutsche IPR ausgehen würde. Bei einer Rückverweisung auf das deutsche Recht bleibt es also bei der Anwendung der deutschen Sachnorm (sog. "Heimwärtsstreben"). Im Falle der Weiterverweisung bleibt es bei der Anwendung der dritten Rechtsordnung, wenn die Verweisung nicht als Gesamtverweisung zu verstehen war. Wenn jedoch von einer Gesamtverweisung – auch nach der dritten Rechtsordnung – auszugehen ist, so führt dies zum IPR des dritten Staates, eine Rück- und Weiterverweisung wird anerkannt. Sollte dies zur Anwendung von deutschem Recht führen, wird die Verweisungskette abgebrochen, ansonsten ist die Verweisung ohne Beteiligung deutschen Rechts gemäß dem IPR der berufenen Rechtsordnung zu beenden, um einen internationalen Entscheidungseinklang zu erreichen.
Rz. 19
Vom Grundsatz der Gesamtverweisung gibt es zahlreiche Ausnahmen, die an dieser Stelle nicht behandelt werden können, die jedoch im Einzelfall entscheidend sind und daher immer überprüft werden sollten. Im Unterschied zum deutschen IPR kann das aufgrund der Gesamtverweisung berufene ausländische Kollisionsrecht die güterrechtlichen Beziehungen wandelbar anknüpfen. Dem ist bei der Rück- und Weiterverweisung zu folgen. Sofern sich das ausländische Recht nach der Eheschließung ändert, ist diese Änderung anzunehmen und zu prüfen, wie die fremde Rechtsordnung mit diesen "Altehen" umgeht. Dies ist zu beachten.
Die Auslegung (auch Qualifikation genannt) der fremden Kontrollnormen erfolgt auf Grundlage der betreffenden fremden Rechtsordnung. Dabei ist der Schwerpunkt entscheidend, das Gepräge, welches das Rechtsverhältnis durch seine Ausgestaltung erfahren hat. Zu beachten ist dabei der Art. 6 EGBGB (ordre public), so dass Rechtsnormen, die mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sind, nicht anzuwenden sind. Bei der Anwendung des Art. 6 EGBGB ist Zurückhaltung geboten, da ansonsten eine Umgehung der fremden Rechtsordnung durch andere Moralvorstellung und eine Kultur erfolgen würde. Eine sehr strenge Anwendung hat zu erfolgen.