Rz. 75
Ist in arbeitsrechtlichen Normen die Schriftform vorgeschrieben, kann diese grundsätzlich durch die elektronische Form ersetzt werden, soweit sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt, § 126 Abs. 3 BGB.
Rz. 76
Ob und inwieweit im Einzelnen die Schriftform durch die elektronische Form oder die Textform ersetzt werden kann, wird entweder gesetzlich geregelt oder ergibt sich aus dem Regelungszweck sowie dem Interesse an der Wahrung des jeweiligen Formzwecks.
Rz. 77
Im folgenden Text werden unterschiedliche Fallkonstellationen der Formbedürftigkeit vorgestellt. Sie betreffen die wichtigsten Formvorschriften des Individualarbeitsrechts. Kollektivarbeitsrechtliche Formvorschriften bleiben mit Ausnahme von §§ 99, 102, 103 BetrVG außen vor (vgl. etwa § 1 Abs. 2 TVG, §§ 77 Abs. 2 S. 1, 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG).
I. Schriftform gem. § 126 BGB gefordert und elektronische Form ausgeschlossen
1. Nachweis von Arbeitsbedingungen
a) § 2 Abs. 1 S. 1 und S. 3 NachwG: Arbeitsvertragsbedingungen
Rz. 78
Der Nachweis der wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen hat schriftlich zu erfolgen. § 2 NachwG begründet aber nur ein zwingendes, nicht aber ein konstitutives Formerfordernis. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbedingungen spätestens einen Monat nach Vertragsbeginn schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. § 2 Abs. 1 S. 3 NachwG schließt die elektronische Form ausdrücklich aus. Der Nachweis muss daher den Anforderungen des § 126 BGB genügen.
Rz. 79
§ 3 S. 1 NachwG enthält für die Änderung der wesentlichen Arbeitsbedingungen ebenfalls kein konstitutives Schriftformerfordernis, so dass ein Verstoß hiergegen nicht zur Unwirksamkeit einer Änderungsvereinbarung führt. Auch wenn § 3 S. 1 NachwG den Ausschluss der elektronischen Form nicht wiederholt, so ist im Hinblick auf § 2 Abs. 1 S. 3 NachwG davon auszugehen, dass § 126a BGB keine Anwendung findet.
Rz. 80
Praxishinweis
Eine Konkretisierung der Leistungspflicht aus dem Arbeitsvertragsverhältnis kann durch das Direktionsrecht (Weisungsrecht) des Arbeitgebers erfolgen, § 106 GewO. Da die Weisungsabhängigkeit des Arbeitnehmers ein charakteristisches Merkmal des Arbeitsverhältnisses ist, ist ein Direktionsrecht des Arbeitgebers jedem Arbeitsvertrag immanent. Einer besonderen schriftlichen, mündlichen oder konkludenten Vereinbarung bedarf es nicht. Auch die Ausübung des Weisungsrechts ist nach geltendem Recht an keine besondere Form gebunden, obwohl der Arbeitgeber durch Ausübung des Weisungsrechts gestaltend auf das Arbeitsverhältnis einwirkt, indem er die nach dem Arbeitsvertrag lediglich allgemein bestehende Leistungspflicht des Arbeitnehmers erst in ihrer konkreten Ausgestaltung nach Art, Ort und Zeitpunkt und sonstigen Modalitäten zur Entstehung bringt. Die Konkretisierung der Pflichten aus dem Arbeitsvertragsverhältnisses ist keine Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen i.S.d. § 3 S. 1 NachwG, ein Formzwang besteht nicht.
Rz. 81
Da die Niederschrift, auf deren Aushändigung der Arbeitnehmer einen einklagbaren Anspruch nach Ablauf der Monatsfrist hat, nur vom Arbeitgeber zu unterzeichnen ist, kann die von der Rspr. für einen schriftlichen Arbeitsvertrag entwickelte Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit hierauf nicht ohne weiteres übertragen werden, da die Niederschrift nur die wesentlichen Vertragsbedingungen zu enthalten hat. Die Funktion der Schriftform besteht hier darin, den Beweis der wesentlichen Vertragsbedingungen zu sichern und damit dem Arbeitnehmer in einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Beweisführung zu erleichtern. Eine Vollständigkeitsvermutung wie bei einer von beiden Seiten unterzeichneten Urkunde kann wegen der Beschränkung auf die wesentlichen Vertragsbedingungen daran nicht geknüpft werden.
Rz. 82
Die Nichterteilung des Nachweises hat auf die Wirksamkeit des Arbeitsvertrages keinen Einfluss, da es sich nicht um ein konstitutives Formerfordernis handelt. Für den Fall einer Verletzung der aus § 2 NachwG folgenden Nachweispflicht sieht das Gesetz keine ausdrückliche Sanktion vor. Im Falle des pflichtwidrigen Nichterteilens des Nachweises gibt es keinen Anknüpfungspunkt, der die Vermutung für das positive Vorliegen eines bestimmten Umstandes und eine infolgedessen eintretende Beweislastumkehr zugunsten des Arbeitnehmers rechtfertigen könnte. Soweit aber der Arbeitgeber eine bestimmte Regelung in den Nachweis aufgenommen hat, bewirkt dies, dass er die Geltung einer davon abweichenden Regelung beweisen muss. Weiter dürfte die Beweiskraft des Nachweises nicht reichen. Insbesondere richtet sie sich nicht gegen den Arbeitnehmer. Aber auch dem Arbeitgeber gegenüber kann die Unvollständigkeit und Ungenauigkeit als solche noch keine Beweisregel auslösen. Zudem stellt die Nichterteilung oder Falscherteilung des Nachweises eine Vertragsverletzung dar, die gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB einen Schadensersatzanspruch nach sich ziehen kann.