Rz. 65
Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien gem. § 127 Abs. 1 BGB einen Formzwang, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob dessen Einhaltung tatsächlich Wirksamkeitsvoraussetzung sein soll. Ist dies der Fall, so hat der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form im Zweifel Nichtigkeit zur Folge, § 125 S. 2 BGB. Häufig dürfte sich aber aus den Umständen ergeben, dass die vereinbarte Form keine konstitutive Bedeutung haben soll, sondern nur als Beweismittel gewollt ist.
Rz. 66
Nach § 127 Abs. 1 BGB gelten die Bestimmungen des § 126a BGB im Zweifel auch für die vereinbarte elektronische Form. § 127 Abs. 3 S. 1 BGB sieht vor, dass die vereinbarte elektronische Form im Zweifel durch eine andere als eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 126a BGB erfüllt werden kann. Nach § 127 Abs. 3 S. 2 BGB kann jede Partei verlangen, dass die Form des § 126a BGB oder, wenn dies nicht möglich ist, die Schriftform nachgeholt wird. Die formelle Gültigkeit des Rechtsgeschäfts bleibt vom Anspruch auf Nachholung unberührt.
Rz. 67
Viele Arbeitsverträge enthalten eine Klausel, nach der Nebenabreden, Ergänzungen und Änderungen des Vertrages der Schriftform bedürfen, sog. einfache Schriftformklausel. Verbreitet ist des Weiteren der Zusatz, dass diese Schriftformklausel nicht durch mündliche Vereinbarungen aufgehoben werden kann, sog. "doppelte" Schriftformklausel.
Rz. 68
Die Vereinbarung solcher Klauseln ist nach den Grundsätzen der Privatautonomie ohne weiteres zulässig. Die Parteien können – zusätzlich zu den ohnehin geltenden gesetzlichen (z.B. § 623 BGB oder § 14 Abs. 4 TzBfG) und kollektivrechtlichen Formvorschriften – für die Vornahme bestimmter Rechtsgeschäfte oder rechtsgeschäftsähnlicher Handlungen eine bestimmte Form vorschreiben.
Rz. 69
Die einfache Schriftformklausel kann jedoch nicht garantieren, dass spätere formlose Vertragsänderungen ausgeschlossen sind. Im Rahmen der Privatautonomie lässt sich das vereinbarte Schriftformerfordernis durch mündliche Abmachungen jederzeit wieder aufheben und die ursprüngliche Vertragsregelung durch eine spätere mündliche Vereinbarung ergänzen und/oder ändern. Denn die Parteien können durch die Vereinbarung einer einfachen Schriftformklausel nicht für alle Zukunft auf ihre Vertragsfreiheit verzichten; das zuletzt Vereinbarte hat deshalb grundsätzlich Vorrang gegenüber früheren Abreden. Dabei ist es nicht einmal erforderlich, dass die Vertragsänderung ausdrücklich vereinbart wird. Vielmehr ist es möglich, das zunächst im Vertrag Vereinbarte trotz einfacher Schriftformklausel konkludent abzuändern, wobei auch eine betriebliche Übung sich über eine einfache Schriftformklausel hinwegsetzen kann. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von dem Arbeitnehmer in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen musste und durfte.
Rz. 70
Gewährt der Arbeitgeber also mehrfach hintereinander Leistungen, die im schriftlichen Arbeitsvertrag nicht enthalten sind, ohne den Vorbehalt zu erklären, dass aus diesem Verhalten eine in die Zukunft wirkende Bindung nicht entsteht, so erwächst dem begünstigten Arbeitnehmer hieraus auch dann ein Anspruch für die Zukunft, wenn der Arbeitsvertrag eine einfache Schriftformklausel enthält. Der Arbeitgeber kann sich hiervon nur durch einvernehmliche Regelung oder mittels einer Änderungskündigung lösen. Damit ist jedenfalls die einfache Schriftformklausel aber nahezu inhaltsleer.
Rz. 71
Deshalb ist die Rechtsprechung bei der Abbedingung tarifvertraglicher Schriftformklauseln kraft betrieblicher Übung etwas zurückhaltender als bei der entsprechenden Abbedingung vertraglicher Schriftformklauseln. Die Abbedingung tarifvertraglicher Schriftformklauseln kraft betrieblicher Übung wird dann zugelassen, wenn sich nicht aus der betreffenden Tarifvorschrift der besondere Zweck ergibt, die Entstehung einer betrieblichen Übung zu vermeiden.
Rz. 72
Etwas anderes gilt nach Ansicht des BAG bei den sog. doppelten Schriftformklauseln. Ursprünglich war die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass auch bei doppelten Schriftformklauseln, also dann, wenn auch die Aufhebung der Schriftformklausel der schriftlichen Vereinbarung bedarf, eine betriebliche Übung, eine nur mündliche Absprache oder konkludentes Handeln der Schriftformklausel vorgehen. So hat das BAG am 25.6.1985 entschieden, dass die Parteien eines Arbeitsvertrags eine Schriftformklausel jederzeit mü...