Rz. 11

Die Zielrichtung des internationalen Steuerrechts ist grundverschieden von der des internationalen Privatrechts. Während es bei der Frage des internationalen Steuerrechts um die Frage geht, ob und in welchem Umfang in einzelnen (beteiligten) Staaten eine Besteuerung erfolgen kann bzw. darf, geht es im internationalen Erbrecht als Teil des internationalen Privatrechts (IPR) darum, nach welchen zivilrechtlichen Vorschriften sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen regelt, also ob die erbrechtlichen Fragen nach deutschem oder nach einem ausländischen Erbrecht beantwortet werden. Während die zivilrechtliche, erbrechtliche und ggf. dingliche Rechtsnachfolge sich entweder nach den materiellen Vorschriften des einen oder des anderen Landes richten soll,[9] können mehrere Staaten unabhängig voneinander und jeder für sich Steuern anlässlich eines Erbfalls erheben. Hierdurch kann es wegen der fehlenden Harmonisierung der Steuerrechtsordnungen zur mehrfachen Besteuerung des gleichen Lebenssachverhalts kommen (sog. Doppelbesteuerung). Hierbei ist es dem Grunde nach irrelevant, nach welcher Erbrechtsordnung ("Erbstatut") sich der Erwerb vollzieht, so dass es beispielsweise einer inländischen (unbeschränkten) Steuerpflicht nicht entgegensteht, wenn nach dem (deutschen) IPR ein ausländisches Erbrecht als Erbstatut gilt, sich also die erbrechtlichen Fragen nach einem ausländischen Recht richten. Das IPR regelt aber u.a. die (Vor-)Fragen, wer (zu welchem Anteil und wie) Erbe, Vermächtnisnehmer oder Pflichtteilsberechtigter (oder nach einer ausländischen Rechtsordnung Noterbberechtigter) ist,[10] das internationale Erbschaftsteuerrecht zieht hieraus die Konsequenzen, ob der Erwerb durch die – unter Zugrundelegung des deutschen IPR ermittelten – Bedachten steuerpflichtig ist. Die Beantwortung der Fragen, ob dann eine Steuerpflicht im Inland und/oder im Ausland besteht, hängt von den teils sehr unterschiedlichen Anknüpfungspunkten der einzelnen Steuerrechtsordnungen ab. Diese entscheiden auch jeweils selbstständig, ob im Rahmen ihrer Besteuerung ein Fall der unbeschränkten oder der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht vorliegt. Oftmals ist es so, dass bei Fallkonstellationen mit Auslandsbezug ein Bedachter in einem Staat unbeschränkt und in einem anderen Staat beschränkt steuerpflichtig ist. Es ist aber auch ohne Weiteres möglich, dass ein Steuerpflichtiger aufgrund der persönlichen Anknüpfungsmerkmale sowohl im Inland als auch im Ausland jeweils der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterliegt. In beiden Fallkonstellationen stellt sich dann das Problem der mehrfachen Besteuerung des gleichen Lebenssachverhalts in den betroffenen Staaten.

 

Rz. 12

Bei der Nachfolgeplanung stellt sich das Problem, dass der räumliche Anwendungsbereich des deutschen Erbschaftsteuergesetzes weiter als der des deutschen Zivilrechts ist. Während das deutsche Erbschaftsteuergesetz an den Wohnsitz, den gewöhnlichen Aufenthalt eines der Beteiligten und den Lageort der einzelnen Nachlassvermögensgegenstände anknüpft – unabhängig davon, nach welchem Erbrecht sich die Nachfolge richtet –, beurteilt sich die Frage zum anwendbaren Privatrecht in Deutschland für ab dem 17.8.2015 eingetretene Erbfälle nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO grundsätzlich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. Nach Art. 22 Abs. 1 EuErbVO kann eine Rechtswahl[11] zum Heimaterbrecht des Erblassers hin getroffen werden. Ein in Deutschland lebender Ausländer kann danach also das Erbrecht seiner Staatsangehörigkeit wählen. Sein aufgrund der Rechtswahl anwendbares Heimaterbrecht, also ein ausländisches Recht, regelt zwar damit die erbrechtlichen Fragen, aber diese Rechtswahl ändert nichts an der persönlichen Erbschaftsteuerpflicht, insbesondere schließt es eine (unbeschränkte) Erbschaftsteuerpflicht im Inland nicht aus. Lebt er auch zum Zeitpunkt seines Todes noch im Inland, wird die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht bereits allein aufgrund des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Inland begründet.

 

Rz. 13

 

Hinweis:

Mögen im Erbschaftsteuerrecht und in der EuErbVO oder auch in einem anwendbaren ausländischen Erbrecht gleiche Begriffe verwendet werden, ist ferner zu beachten, dass diese gleichwohl eine unterschiedliche Bedeutung haben können.[12] So ist beispielsweise der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d. EuErbVO nicht identisch mit dem nach nationalem deutschen Steuerrecht (§ 9 AO).

 

Rz. 14

Für das Erbschaftsteuerrecht ist das Zivilrecht lediglich Vorfrage, da mit einer Nachlass- bzw. Erbschaftsteuer (zu den Begriffen siehe Rdn 16 ff., 44) eine zivilrechtlich eingetretene neue Vermögenszuordnung besteuert wird. Liegen Anknüpfungsmerkmale für die inländische Besteuerung vor, ist es irrelevant, unter Zugrundelegung welcher Rechtsordnung die Voraussetzungen für die Erfüllung eines Besteuerungstatbestands gegeben sind, also ob beispielsweise die gesetzliche Erbfolge nach deutschem oder einem ausländischen Erbrecht bestimmt...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge