Prof. Dr. Thomas Reich, Prof. Dr. Ulrich Voß
Rz. 34
Der Auslandsbezug eines Erbfalls kann sich aus unterschiedlichsten Gründen ergeben. Anknüpfend an die Person des Erblassers kann dieser ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben. Eine Steuerpflicht kann sich aber auch aus der Staatsangehörigkeit des Erblassers ergeben. Die gleichen Anknüpfungspunkte ergeben sich für die durch den Tod Begünstigten (z.B. Erben oder Vermächtnisnehmer). Auch der Lageort des Vermögens kann Anknüpfungspunkt sein, wobei bei einer Gesellschaft möglicherweise auf das von ihr gehaltene Vermögen durchgegriffen wird (vgl. Frankreich, siehe oben Rdn 33 und Länderbericht Frankreich Rdn 230 sowie oben Fn 3).
Rz. 35
Bei der Untersuchung der erbschaftsteuerlichen Folgen sollte immer mit der Prüfung begonnen werden, wie sich die Nachfolge (aufgrund der unterschiedlichen materiellen und kollisionsrechtlichen Vorschriften des IPR) zivilrechtlich darstellt, da die erbschaftsteuerliche Behandlung in Deutschland dem Zivilrecht folgt, soweit es etwa um die (Vor-)Fragen geht, wer in welcher Höhe im Erbfall bedacht ist bzw. werden soll. Die steuerliche Situation kann auch davon abhängig sein, ob eine bestimmte letztwillige Verfügung wirksam ist; Probleme bereiten im internationalen Erbrecht dabei insbesondere gemeinschaftliche Testamente. Während Teilungsanordnungen grundsätzlich keine erbschaftsteuerlichen Wirkungen haben sollen (vgl. unten Rdn 89 f.), sind Vermächtnisse zu beachten, unabhängig davon, ob diese – wie nach deutschem Recht – nur einen schuldrechtlichen Anspruch geben oder diese – wie in manchen ausländischen Rechtsordnungen – als Vindikationslegat dinglich wirken. Daran anschließend sollte die erbschaftsteuerliche Situation untersucht werden.
Rz. 36
Für die Frage der Steuerpflicht ist es insbesondere dann, wenn nach IPR eine andere Rechtsordnung zur Anwendung kommt, weiterhin bedeutsam, ob es sich für den Erben um einen Vonselbsterwerb, wie in Deutschland (Universalsukzession), oder um einen Antrittserwerb handelt oder sogar eine behördliche Einweisung erforderlich ist. Verstreicht zwischen dem Tod des Vermögenseigentümers und Antritt bzw. Einweisung ein längerer Zeitraum, in dem sich der Wert des Vermögens erheblich verändert, stellt sich nämlich bereits insoweit die Frage, mit welchem Wert das Vermögen zu berücksichtigen ist. Grundsätzlich besteuert Deutschland den Erwerb sofort im Zeitpunkt des Erbfalls und nimmt keine Rücksicht darauf, ob der Begünstigte erst verzögert über das Vermögen verfügen konnte.
Rz. 37
Auch der im internationalen Privatrecht geltende ordre public (vgl. Art. 31 EuErbVO) kann mittelbar auf die Erbschaftsteuer Einfluss haben. Dürfen beispielsweise nach ausländischem Recht bestimmte Personen (z.B. weibliche Abkömmlinge) nicht erben, wird diese Rechtsfolge vom nationalen deutschen Recht möglicherweise nicht akzeptiert. Je nachdem, wie der Nachlass schließlich verteilt wird, können sich unterschiedliche deutsche Erbschaftsteuerfolgen ergeben. Für die Besteuerung ist allerdings der Grundsatz zu beachten, dass unwirksame Regelungen und Verfügungen berücksichtigt werden können, wenn die Parteien diese gelten lassen wollen und diese auch tatsächlich vollzogen haben.