Rz. 56
Nach dem Recht des deutschen BGB gilt eine Annahmeerklärung mit inhaltlichen Abweichungen als Ablehnung des Angebots und gleichzeitig als auf den Abschluss eines Vertrages mit modifiziertem Inhalt gerichtetes Gegenangebot. Das UN-Kaufrecht ist dieser Systematik nur teilweise gefolgt und unterscheidet vielmehr danach, ob es sich um eine wesentliche Abweichung handelt oder nicht. Zuvor bedarf es allerdings der Feststellung, ob die Annahme überhaupt eine Abweichung enthält. Denn auch wenn einzelne Punkte im Angebot nicht ausdrücklich geregelt sind, können diese dennoch gem. Art. 8 Abs. 3 und Art. 9 CISG darin einbezogen sein. So stellt bspw. der Eigentumsvorbehalt in der Annahmeerklärung des Verkäufers keine Abweichung dar, wenn dies den Gepflogenheiten entspricht.
Rz. 57
Handelt es sich um eine Annahme, die nur unwesentliche Ergänzungen oder Abweichungen enthält, so wird unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Handelsverkehrs die in Art. 19 Abs. 2 CISG geregelte Rügeobliegenheit des Anbietenden begründet. Den Regeln über das kaufmännische Bestätigungsschreiben vergleichbar kommt der Vertrag zu den geänderten Bedingungen zustande, wenn der Anbietende die fehlende Übereinstimmung nicht unverzüglich beanstandet. Die Beanstandung kann mündlich oder durch Absendung einer Erklärung erfolgen. Auch hier wird in Analogie zu Art. 27 CISG gefordert, dass die Beanstandung auf einem den Umständen nach tauglichem Weg übermittelt wird. Unverzüglich ist die Beanstandung dann, wenn sie ohne vermeidbaren Aufschub abgesendet wird.
Rz. 58
Sind die in der Annahmeerklärung enthaltenen Abweichungen hingegen von wesentlicher Bedeutung, so gilt die modifizierte Annahmeerklärung als Ablehnung des ursprünglichen Angebots, die mit einem Gegenangebot verbunden ist. Durch die Ablehnung erlischt das Angebot (Art. 17 CISG). Das Verfahren der Vertragsverhandlung nimmt indes seinen Fortgang, indem der Urheber des ersten Angebots nun seinerseits annehmen oder ablehnen kann. Die Annahme des Gegenangebots bestimmt sich nach Art. 18 CISG. Der ursprünglich Anbietende kann durch schlüssiges Verhalten auf die Änderungswünsche der anderen Seite eingehen.
Rz. 59
Abstrakte Kriterien für die Abgrenzung der unwesentlichen von den wesentlichen Abweichungen lassen sich nicht aufstellen. Beispiele für wesentliche Änderungen sind in Art. 19 Abs. 3 CISG genannt. Im Einzelnen ist hier allerdings streitig, ob diese Kriterien eine widerlegbare oder eine nicht widerlegbare Vermutung begründen. Neben dieser Regelung des Abs. 3 kann die Wesentlichkeit von Abweichungen i.R.d. Abs. 2 nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ermittelt werden. Dies ist unter Einbeziehung der mit Abs. 2 verbundenen Rechtsfolge zu beurteilen. Demnach kann nur eine solche Änderung unwesentlich sein, bei der dem Anbietenden i.S.d. Abs. 2 zugemutet werden kann, durch eine unverzügliche Beanstandung bzw. Absendung einer Mitteilung zu reagieren. Insoweit sind vergleichbare Kriterien wie sie für die Frage des genehmigungsfähigen aliuds i.S.d. § 378 Halbs. 2. HGB a.F. entwickelt wurden, maßgeblich. Als wesentlich anzusehen sind bspw. Forderungen in Bezug auf eine Zahlungssicherung, Rücktritts- und Widerrufsrechte, Garantien in Bezug auf die Erfüllung solcher Vertragspflichten, die nicht als "wesentlich" i.S.d. Art. 25 CISG (vgl. dazu unten Rdn 108 ausführlich) anzusehen wären sowie die teilweise Ausschließung oder Abminderung von Regelungen des UN-Kaufrechts. Wesentlich dürften auch Rechtswahlklauseln sowie Schieds- und Zuständigkeitsklauseln sein.