Rz. 490

Die bisher dargestellten Grundsätze bleiben unverändert. Auch im Berufungs- oder Revisionsrechtszug entstehen Verfahrens-, Termins- und Einigungsgebühr.

 

Rz. 491

In jeder Instanz und für eine Vielzahl von sonstigen Verfahren hat die Verfahrensgebühr oder die Terminsgebühr eine eigene Nummer. Ob sich inhaltlich etwas an den Gebühren ändert, ergibt sich z.T. aus den Vorbemerkungen für die besonderen Abschnitte im Vergütungsverzeichnis, z.T. aus den Anmerkungen zu den jeweiligen Vergütungsziffern.

 

Rz. 492

Für die einzelnen Rechtszüge wird daher nicht wiederholt, was generell bereits bspw. in Vorbemerkung 3 Abs. 2 oder Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG geregelt ist. Erläuterungen hierzu finden sich in den Ausführungen zum erstinstanzlichen Verfahren.

I. Nächst höhere Instanz – das Erfolgsaussichtenprüfungsverfahren

1. Allgemeines

 

Rz. 493

Die anwaltliche Tätigkeit beginnt bereits vor der Einlegung des Rechtsmittels. Der RA prüft die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels, bevor er dieses einlegt. Sinnlose und aussichtslose Rechtsmittel wird der RA nicht einlegen.

 

Rz. 494

Teil 2 VV RVG

Abschnitt 1: Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels

Nr. 2100

 
Nr. Gebührentatbestand Gebühr oder Satz der Gebühr nach § 13 RVG
2100 Gebühr für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels, soweit in Nummer 2102 nichts anderes bestimmt ist 0,5 bis 1,0
  Die Gebühr ist auf eine Gebühr für das Rechtsmittelverfahren anzurechnen.  

2. Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels

 

Rz. 495

Prüft der RA auftragsgemäß die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels, dann hat er Anspruch auf eine besondere Vergütung gem. Nr. 2100 VV RVG. Diese Norm ist grds. in allen Rechtsgebieten anwendbar, sie gilt auch in Strafsachen (dann aber Nr. 2102 VV RVG). Jeder RA, der die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels prüft, kann die Gebühr verdienen. Auch der RA, der bereits erstinstanzlich tätig war, hat diesen Gebührenanspruch. Die Norm der Nr. 2100 VV RVG geht als spezielle Norm den Regelungen in § 34 RVG (Beratung) vor.

Der RA kann die Gebühr für die Prüfung der Erfolgsaussichten für alle Rechtsmittel fordern, also nicht nur für Berufung und Revision, sondern auch für Nichtzulassungsbeschwerden, Rechtsbeschwerden, sofortige Beschwerden und sonstige infrage kommende Rechtsmittel.

3. Satzrahmengebühr für die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels

 

Rz. 496

Die Gebühr der Nr. 2100 VV RVG ist eine Wertgebühr mit einem Gebührensatzrahmen von 0,5 – 1,0. Die Mittelgebühr beträgt 0,75. Der RA bestimmt die Höhe der konkreten Gebühr gem. § 14 RVG. Die Prüfungsgebühr gem. Nr. 2100 VV RVG ist in dieser Hinsicht ähnlich wie die Geschäftsgebühr, s. hierzu die Ausführungen zur Bestimmung des konkreten Gebührensatzrahmens unter Rdn 189.

4. Anrechnung der Gebühr

 

Rz. 497

Führt der RA nach Prüfung der Erfolgsaussichten das Rechtsmittelverfahren, so erhält er die Gebühr nicht gesondert. Die "Prüfungsgebühr" wird auf die im Rechtsmittelverfahren entstehende Verfahrensgebühr angerechnet. Post- und Telekomentgelte werden nicht angerechnet, da die Anmerkung zu Nr. 2100 VV RVG ausdrücklich nur die Anrechnung der Gebühr auf eine Gebühr bestimmt.

 

Beispiel:

Der RA berät den Auftraggeber über die Erfolgsaussichten der Einlegung eines Rechtsmittels gegen ein erstinstanzliches Urteil. Der Auftraggeber ist zur Zahlung von 10.000 EUR verurteilt worden. Der RA rät wegen 5.000 EUR von der Einlegung der Berufung ab. Wegen 5.000 EUR legt er Berufung ein. Da alle Tatbestandsmerkmale des § 14 RVG durchschnittlich waren, bestimmt der RA den Rahmen der Gebühr der Nr. 2100 VV RVG mit 0,75. Die Vergütungsberechnung lautet:

Berechnet gem. §§ 2 Abs. 2, 13, 14 RVG

 
0,75 Prüfung Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels Nr. 2100 VV RVG 227,25 EUR

Gegenstandswert: 10.000,00 EUR, Anrechnung gem. Nr. 2100 Satz 2 VV RVG durchgeführt

 
1,6 Verfahrensgebühr Berufungsverfahren gem. Nr. 3200 VV RVG 484,80 EUR

Gegenstandswert: 5.000,00 EUR

 
Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG 40,00 EUR

Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen i.H.v. 2 × 20,00 EUR

 
Zwischensumme netto 751,65 EUR
 

Rz. 498

 

Praxistipp:

Sie können Streitereien zu der Frage, ob Ihnen ein gesonderter Auftrag zur Prüfung der Erfolgsaussichten erteilt wurde, vermeiden. Sie können sich diesen Auftrag gleich zu Beginn des Mandatsverhältnisses erteilen lassen (s. Auftragsbestätigung unter § 7 Rdn 85). Auf jeden Fall sollten Sie Ihren Auftraggeber bei Vorlage der Entscheidung auf die sich ergebenden Folgen hinweisen.

 

Rz. 499

Muster 8.40: Kurzbelehrung Vergütungsfolge bei Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels

 

Muster 8.40: Kurzbelehrung Vergütungsfolge bei Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels

Anrede,

anliegend überreichen wir Ihnen die Kopie der Ausfertigung des Urteils (Beschlusses _________________________) vom _________________________ des Gerichts zum AZ _________________________.

Wie Sie der Anlage entnehmen können, ist die Angelegenheit bedauerlicherweise nicht zu Ihren Gunsten entschieden worden.

Das Urteil (der Beschluss) kann mit der Berufung/sofortigen Beschwerde angefochten werden. Die Frist zur Anfechtung des Urteils (Beschlusses) beträgt _________________________. Das Rechtsmittel muss bis zum _...

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