Rz. 55

Manchmal stellt sich im Zuge einer begonnenen Beratung heraus, dass angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers die sog. Bedürftigkeit gegeben ist und damit die Voraussetzung von Beratungshilfe vorliegt. Im anwaltlichen Alltag finden Sie Beratungshilfe besonders häufig in familienrechtlichen Angelegenheiten. Auch in arbeitsrechtlichen Mandaten sowie bestimmten verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten (z.B. Asylverfahren) ist Beratungshilfe keine Seltenheit.

 

Rz. 56

Stellt sich das Leistungsunvermögen während der Beratung heraus, ist der RA nur noch eingeschränkt verpflichtet (§ 49a BRAO), den Auftraggeber auf die Möglichkeit der Gewährung von Beratungshilfe hinzuweisen. Er kann die weitere Vertretung zu den Bedingungen von Beratungshilfe auch ablehnen.

 

Rz. 57

Entscheidet sich der RA zu den Bedingungen von Beratungshilfe tätig zu werden, muss er jedoch nicht tätig werden, solange nicht über die Bewilligung von Beratungshilfe entschieden ist. Er kann eine weitere Tätigkeit (also eine weitere Beratung) ablehnen, bis über das Beratungshilfegesuch entschieden ist. Häufig wird der RA jedoch weiter tätig und vertraut darauf, dass Beratungshilfe bewilligt werden wird. Der RA geht mit diesem Verhalten ein wirtschaftliches Risiko ein. Berät der RA den Auftraggeber weiter und wird Beratungshilfe nicht bewilligt, erhält der RA keine Vergütung aus der Staatskasse, er ist im Zweifel unentgeltlich tätig.

 

Rz. 58

Nun liegt es nicht jedem RA, bei mangelnder Leistungsfähigkeit die Beratung abzubrechen. Viele RAe sind der Auffassung, auch tätig werden zu müssen, wenn die Vergütung ungesichert ist. Diese Entscheidung kann niemand dem jeweiligen RA abnehmen. Tatsache ist und bleibt allerdings, dass der RA auch eine Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeitern hat. Je häufiger der RA unentgeltlich tätig ist, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann die finanzielle Leistungsfähigkeit für das Gehalt (zzgl. Nebenleistungen) der Mitarbeiter nicht mehr gegeben ist. Diesen Gedanken sollte jeder, der tätig wird, in Kenntnis der Tatsache, dass er ggf. (mit großer Wahrscheinlichkeit) keine Vergütung erhält, in Ruhe durchdenken.

 

Rz. 59

Immer dann, wenn der RA meint, er wäre unentgeltlich tätig, irrt er. Er zahlt in Wirklichkeit dafür, dass er tätig ist. Die laufenden Kosten einer Kanzlei müssen unabhängig davon erbracht werden, ob der RA eine Vergütung berechnet.

 

Rz. 60

Um der auf die Möglichkeit der Gewährung von Beratungshilfe gegebenen Belehrungspflicht nachzukommen, können Sie einen allgemeinen Belehrungstext z.B. im Wartebereich oder an sonst offen zugänglicher Stelle auslegen.

 

Rz. 61

Muster 8.9: Allgemeine Belehrung über die Möglichkeit der Bewilligung von Beratungshilfe

 

Muster 8.9: Allgemeine Belehrung über die Möglichkeit der Bewilligung von Beratungshilfe

Wir danken Ihnen, dass Sie uns mit Ihrer rechtlichen Interessenvertretung beauftragen wollen.

Da uns weder die Höhe Ihres Nettoeinkommens bekannt ist, noch die Höhe Ihrer laufenden monatlichen Belastungen, können wir nicht beurteilen, ob es für Sie die Möglichkeit gibt, dass Ihnen für unsere anwaltliche Tätigkeit Beratungshilfe gewährt wird. Von der Höhe Ihres Einkommens hängt es ab, ob Sie ggf. einen Anspruch auf die Gewährung von Beratungshilfe haben. Damit Sie Beratungshilfe in Anspruch nehmen können, erläutern wir Ihnen nachstehend die nach unserer Meinung wichtigsten Voraussetzungen und Wirkungen von Beratungshilfe. Diese Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es handelt sich lediglich um einen kurzen Leitfaden.

Voraussetzungen für die Bewilligung von Beratungshilfe

Das Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz – BerHG) gewährt Ihnen auf Antrag Beratungshilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn

1. Sie die erforderlichen Mittel zur Bezahlung eines Rechtsanwalts nach Ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen können,
2. keine anderen Mittel zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme Ihnen zuzumuten ist (z.B. eine bestehende Rechtsschutzversicherung, Vertretung durch gewerkschaftliche Organisationen, in denen Sie Mitglied sind),
3. die Wahrung Ihrer Rechte nicht mutwillig erscheint.

Das Gesetz stellt fest, dass die Voraussetzungen zur Gewährung von Beratungshilfe aus wirtschaftlichen Gründen vorliegen, wenn Ihnen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu gewähren wäre. Dies ist nur dann gegeben, wenn Ihr monatliches Nettoeinkommen es nicht zulässt, aus eigenen Mitteln einen Rechtsanwalt zu bezahlen.

Im gerichtlichen Verfahren wird keine Beratungshilfe gewährt. Für gerichtliche Auseinandersetzungen wird auf Antrag ggf. Prozesskostenhilfe bewilligt. Werden Sie finanziell durch staatliche Mittel unterstützt, liegen in der Regel die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Beratungshilfe vor.

Allerdings wird Beratungshilfe nicht bewilligt, wenn ...

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