Rz. 14

Gelingt es den Parteien nicht, sich im Rahmen eines Aufhebungsvertrages zu einigen, so ist der Weg der Kündigung nach § 22 BBiG zu gehen. Welche Voraussetzungen die Kündigung dabei erfüllen muss, richtet sich danach, ob der Vertrag während der Probezeit oder danach beendet wird:

I. Kündigung innerhalb der Probezeit

 

Rz. 15

Gem. § 22 Abs. 1 BBiG kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist in der Probezeit beendet werden. In dieser vereinbarten Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis von beiden Seiten ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Den Vertragsparteien wird somit die Möglichkeit gegeben, ihre einmal getroffene Entscheidung ohne Angabe von Gründen durch eine schriftliche Probezeitkündigung zu korrigieren.

1. Beginn und Ende der Probezeit

 

Rz. 16

§ 20 S. 2 BBiG fixiert die Probezeit auf höchstens vier Monate und mindestens einen Monat. Die Vereinbarung einer kürzeren oder längeren Probezeit ist nach § 25 BBiG unwirksam. Dabei ist anerkannt,[20] dass eine z.B. durch Krankheit unterbrochene Probezeit um die Unterbrechung verlängert werden kann, sofern die Vertragsparteien dies vereinbart haben. Dies soll insbesondere dann gelten, wenn die Unterbrechung der Ausbildung ein Drittel der Probezeit beträgt.[21]

[20] Natzel, S. 167; BAG v. 15.1.1981, AP BBiG § 13 Nr. 1; ErfK/Schlachter, § 20 BiBiG Rn 1; Schaub/Vogelsang, § 174 Rn 86.
[21] BAG v. 15.1.1981, AP BBiG § 13 Nr. 1; Schaub/Vogelsang, § 174 Rn 94; Wohlgemuth/Pepping, § 20 Rn 17 ff.

2. Formelle Wirksamkeitsvoraussetzungen

 

Rz. 17

Wie auch beim Aufhebungsvertrag hängt die Wirksamkeit der Kündigung von der Schriftform der Kündigungserklärung ab. Dies ergibt sich jetzt aus § 22 Abs. 3 BBiG und § 623 BGB. § 22 Abs. 3 BBiG verlangt die Angabe der Kündigungsgründe, wenn der Auszubildende kündigt, weil er die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will.

 

Rz. 18

Für den Zugang der Kündigung gelten die allgemeinen Zugangserfordernisse: Die Kündigungserklärung muss derart in den Macht- oder Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt sein, dass dieser unter normalen Umständen davon Kenntnis erlangen kann. Bei einem minderjährigen Auszubildenden muss die Kündigung dem gesetzlichen Vertreter zugehen, im Regelfall also einem Elternteil (§ 1629 Abs. 1 S. 2 BGB).

 

Rz. 19

Der Minderjährige kann wirksam nur mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters kündigen. Einwilligung ist die vorherige Zustimmung, also die zeitlich vor Ausspruch der Kündigungserklärung erteilte Zustimmung (§ 183 BGB). Eine Kündigung, die der Minderjährige ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vornimmt, ist unwirksam (§ 111 S. 1 BGB).[22]

[22] Grüneberg/Ellenberger, § 111 Rn 2f., 4; Lakies/Amlottke/Lakies, § 22 Rn 2f.; Wohlgemuth/Pepping, § 22 Rn 82 m.w.N.

3. Besondere Schutzvorschriften

 

Rz. 20

MuSchG und Schwerbehindertenrecht gelten im vollen Umfang auch für Auszubildende. So ist bei einer Schwangeren das Kündigungsverbot des § 9 Abs. 1 MuSchG bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung zu beachten. Bei einem schwerbehinderten Auszubildenden ist gem. §§ 168 ff. SGB IX die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen. Innerhalb der ersten sechs Monate des Ausbildungsverhältnisses gilt dieser besondere Kündigungsschutz allerdings nicht (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX).

4. Sonderfall: Kündigung vor Beginn der Berufsausbildung

 

Rz. 21

In Fällen, in denen sich die Auszubildenden oftmals für mehrere Berufsausbildungen gleichzeitig beworben haben, kommt es immer wieder zu Kündigungen noch vor Beginn der Berufsausbildung, da sich in der Zwischenzeit ein Ausbildungsplatz für den erstrangig begehrten Berufswunsch findet. In derartigen Fällen sind die Regelungen für eine Kündigung innerhalb der Probezeit entsprechend anwendbar.[23] Es wäre als reiner Formalismus anzusehen, wenn man dem Auszubildenden zumuten würde, seine Ausbildung erst antreten zu müssen, um danach sein Recht zur Kündigung innerhalb der Probezeit wahrnehmen zu können.

[23] Große, BB 1993, 2082; BAG v. 17.9.1987, BB 1988, 1462 = DB 1988, 1454; LAG Düsseldorf v. 16.9.2011, NZA-RR 12, 127.

II. Kündigung nach Ende der Probezeit

 

Rz. 22

Für den Auszubildenden ergibt sich aus § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG die Möglichkeit, die Berufsausbildung mit einer Frist von vier Wochen zu kündigen, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder eine Ausbildung in einem anderen Beruf beginnen möchte. Hiermit trägt der Gesetzgeber dem Wunsch des Auszubildenden Rechnung, mangels weiteren Interesses am ursprünglichen Berufsziel festhalten zu müssen. Der Auszubildende muss diesen Wunsch nur ernsthaft gegenüber dem Ausbildenden erklären. Bei dieser Berufsaufgabekündigung genügt es, wenn der Auszubildende den ernsthaften Willen zum Berufswechsel oder zur Berufsaufgabe zum Ausdruck bringt. Wird die Kündigung ohne Einhaltung der Frist ausgesprochen, so wird sie im Allgemeinen nach § 139 BGB in eine fristgemäße Kündigung umgedeutet.

Kündigt der Auszubildende, so ist darauf zu achten, dass die Kündigung eine Begründung gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG enthält, die erkennbar den Wunsch zur Berufsaufgabe enthält. Dies ergibt sich aus § § 22 Abs. 3 BBiG. Eine derartige Kündigung darf auch durch den Arbe...

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