Rz. 22
Für den Auszubildenden ergibt sich aus § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG die Möglichkeit, die Berufsausbildung mit einer Frist von vier Wochen zu kündigen, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder eine Ausbildung in einem anderen Beruf beginnen möchte. Hiermit trägt der Gesetzgeber dem Wunsch des Auszubildenden Rechnung, mangels weiteren Interesses am ursprünglichen Berufsziel festhalten zu müssen. Der Auszubildende muss diesen Wunsch nur ernsthaft gegenüber dem Ausbildenden erklären. Bei dieser Berufsaufgabekündigung genügt es, wenn der Auszubildende den ernsthaften Willen zum Berufswechsel oder zur Berufsaufgabe zum Ausdruck bringt. Wird die Kündigung ohne Einhaltung der Frist ausgesprochen, so wird sie im Allgemeinen nach § 139 BGB in eine fristgemäße Kündigung umgedeutet.
Kündigt der Auszubildende, so ist darauf zu achten, dass die Kündigung eine Begründung gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG enthält, die erkennbar den Wunsch zur Berufsaufgabe enthält. Dies ergibt sich aus § § 22 Abs. 3 BBiG. Eine derartige Kündigung darf auch durch den Arbeitgeber vorbereitet werden. Unterzeichnet der Auszubildende diese nur, so besteht die Gefahr, dass diese Erklärung ihm in einem eventuellen Rechtsstreit nicht zugerechnet werden wird.
1. Kündigung aus wichtigem Grund
Rz. 23
Das Berufsausbildungsverhältnis kann gem. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG von beiden Parteien aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Für den Begriff des wichtigen Grundes wendet die Rechtsprechung aufgrund gewisser Übereinstimmungen von Dienst- und Ausbildungsverhältnissen die Generalklausel des § 626 Abs. 1 BGB entsprechend an. Ein wichtiger Grund wird angenommen, wenn das Ausbildungsziel erheblich gefährdet und die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses unzumutbar ist. Aus der Zwecksetzung von Erziehung und Ausbildung des Auszubildenden folgt, dass im Allgemeinen solche Gründe zur außerordentlichen Kündigung berechtigen, die von einem verständigen Ausbilder nicht mehr akzeptiert werden können. Hierbei ist auf die Jugendlichkeit und den Entwicklungsprozess des Auszubildenden Rücksicht zu nehmen; der Grad der geistigen, charakterlichen und körperlichen Reife muss gleichfalls Berücksichtigung finden. Zusätzlich ist bei der Interessenabwägung die Dauer der im Zeitpunkt der Kündigung zurückgelegten Ausbildungszeit im Verhältnis zur gesamten Ausbildungszeit zu berücksichtigen. Je kürzer die Zeit bis zur Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses noch ist, umso strenger haben die Anforderungen an den wichtigen Grund zu sein.
Rz. 24
Praxishinweis
Die Kündigungsgründe müssen auf nachprüfbaren Tatsachen beruhen, weshalb pauschale Werturteile nicht ausreichen.
2. Form und Inhalt
Rz. 25
Für die Kündigung aus wichtigem Grund gilt auch das Formerfordernis des § 22 Abs. 3 BBiG i.V.m. § 623 BGB. Dabei reicht es nicht aus, wenn sich die Begründung allein auf das Gesetz bezieht, vielmehr muss der Arbeitgeber den die Kündigung begründenden Sachverhalt darstellen. Im Fall der Minderjährigkeit des Auszubildenden hat die Begründung auch gegenüber dem gesetzlichen Vertreter zu erfolgen und muss diesem zugehen.
3. Fristen
Rz. 26
Auch für das Berufsausbildungsverhältnis gilt gem. § 22 Abs. 4 BBiG, dass eine außerordentliche Kündigung dann unwirksam ist, wenn die Kündigungsgründe dem Kündigenden länger als zwei Wochen bekannt sind. Diese Frist beginnt mit der Kenntnis von den die Kündigung rechtfertigenden Tatsachen.
4. Mitbestimmung/Sonderkündigungsschutz
Rz. 27
Auch Auszubildende während ihrer Berufsausbildung sind Arbeitnehmer i.S.d. § 5 Abs. 1 BetrVG, weshalb vor dem Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Auszubildenden der Betriebsrat unter Mitteilung der aus Arbeitgebersicht maßgeblichen Kündigungsgründe gem. § 102 BetrVG anzuhören ist. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat derart konkret über die für ihn tragenden Gründe zu informieren, dass dieser sich ein eigenständiges Urteil über die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe bilden und dazu Stellung nehmen kann.
Rz. 28
Gleichfalls sind die Sonderkündigungsvorschriften nach MuSchG und SGB IX zu beachten. Die Vorschriften des SGB IX über die erforderliche vorherige Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten sind auch bei einer außerordentlichen Kündigung eines schwerbehinderten Auszubildenden zu beachten. Dies lässt sich aus der allgemein gehaltenen Definition in § 151 Abs. 1 SGB IX sowie der in § 156 Abs. 1 SGB IX enthaltenen Regelung ableiten, nach der Arbeitsplätze im Sinne dieses Gesetzes auch Stellen sind, auf denen Auszubildende beschäftigt werden.