Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 144
Unabhängig vom Risiko des Verlustes der selbstbewohnten Wohnstatt kann bezüglich der Verwertung einer (nicht selbstbewohnten) Immobilie (oder eines sonstigen Vermögenswertes) auch der Unbilligkeitsgrund der wirtschaftlichen Unverwertbarkeit ganz allgemein in Betracht kommen. Eine Härte liegt deshalb nach Tz 29.3.2 Buchst. c) der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BAföG insbesondere dann vor,
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wenn die Verwertung eines Grundstücks in dem Zeitraum, für den Ausbildungsförderung beantragt wird, nicht realisiert werden kann. |
Ein wirtschaftliches Verwertungshindernis ist gegeben, wenn trotz rechtlicher Verfügungsmöglichkeit keine konkrete Verwertungschance im Bewilligungszeitraum gegeben ist.
Rz. 145
Es reicht aber nicht jede wirtschaftliche Verwertungsschwierigkeit aus. Der Grundsatz der Nachrangigkeit der Ausbildungsförderung verlangt von der auszubildenden Person hohe Anstrengungen beim Versuch der Vermögensverwertung. Eine Unbilligkeit liegt nicht vor, wenn die auszubildende Person mit ihrem Vermögensanteil als Kreditgrundlage ein Bankdarlehen auf dem Kapitalmarkt zu marktüblichen Bedingungen erlangen kann und diese Form der Vermögensverwertung nicht zum tatsächlichen oder wirtschaftlichen Verlust der Wohnstatt führt. Dazu die Rechtsprechung:
Zitat
"Unter der Kreditwürdigkeit eines Kreditnehmers wird allgemein dessen Fähigkeit und Bereitschaft, die vereinbarten Zinsen und Tilgungen zu erbringen, verstanden. Die Beurteilung der persönlichen Kreditwürdigkeit orientiert sich hierbei an der persönlichen Zuverlässigkeit des Schuldners, die Beurteilung der materiellen Kreditwürdigkeit an dessen wirtschaftlichen Verhältnissen. Grundvoraussetzung für die Begebung eines Hypothekarkredits ist durchweg die Fähigkeit des Schuldners, die vereinbarten Zins- und Tilgungszahlungen zu erbringen. Die Bestellung eines Grundpfandrechts – in welcher Form auch immer – dient dabei zunächst nur der Sicherung der Darlehensforderung, nicht deren Erfüllung. Eine Verwertung der Sicherheit kommt regelmäßig erst in Betracht, wenn der begebene Kredit notleidend geworden ist, weil der Schuldner die vertraglich vereinbarten Zahlungen nicht erbracht hat. Ein Auszubildender, der über kein oder nur ein geringes Einkommen verfügt, ist in aller Regel nicht in der Lage, solche Zins- und/oder Tilgungszahlungen zu leisten. Hierbei ist es gleichgültig, ob das Darlehen als Annuitätendarlehen, Festdarlehen oder Abzahlungsdarlehen begeben wird. Denn regelmäßige Zinszahlungen muss der Schuldner bei einem Hypothekarkredit in jedem Fall erbringen."
Rz. 146
Die Rechtsprechung erkennt größtenteils an, dass es ziemlich ausgeschlossen erscheint, einen Miterbenanteil, der in einem Anteil an einer Immobilie besteht, auf dem Markt zu veräußern oder zu beleihen. Das wird noch schwieriger, wenn solche Erbanteile mit Wohnungs- bzw. Nießbrauchsrechten belastet sind. Zum Teil verlangt sie aber, dass der Versuch unternommen werden müsse, der Familie diesen Anteil anzubieten und sie zum Ankauf oder zur Übernahme einer Bürgschaft zu bewegen.