Rechtskraft nein
Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbillige Härte. wirtschaftliches Verwertungshindernis. angemessenes Hausgrundstück. Grundeigentum. Beleihung
Leitsatz (amtlich)
Eine unbillige Härte i.S.d. § 29 Abs. 3 BAföG kann auch dann vorliegen, wenn Grundstückseigentum des Auszubildenden nicht die Kriterien eines angemessenen Hausgrundstücks im sozialhilferechtlichen Sinne (§ 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG/§ 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII) erfüllt, aber im konkreten Einzelfall keine tatsächliche Verwertungsmöglichkeit besteht.
Normenkette
BAföG §§ 27, 29 Abs. 3
Tenor
1. Der Bescheid des Studentenwerks Karlsruhe vom 27.11.2003/22.01.2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 07.04.2004 werden aufgehoben. Das Studentenwerk Karlsruhe wird verpflichtet, der Klägerin die beantragte Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Ausbildungsförderung für ein Studium an der Universität Karlsruhe im Studiengang Lehramt Gymnasium (Mathematik/Physik).
Die Klägerin ist im Grundbuch von Süchteln (Amtsgerichtsbezirk Viersen) als Eigentümerin eines 0,59 a großen Hausgrundstücks eingetragen. Das Grundstück wurde ihr im Jahre 1996 von ihrer Großmutter geschenkt. Der Wert des übertragenen Grundbesitzes wird im Notarvertrag vom 27.12.1996 mit 60.000,– DM angegeben. Im Übertragungsvertrag wird der Großmutter ein lebenslängliches unentgeltliches Nießbrauchsrecht eingeräumt, das im Grundbuch eingetragen wurde. Das Grundstück ist ferner mit einer Hypothek i. H. v. 12.600,–DM zu Gunsten der Wohnungsbauförderungsanstalt des Landes Nordrhein-Westfalen belastet. Nach Angaben der Klägerin handelt es sich bei dem Gebäude um ein vor dem Jahre 1900 erbautes Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche unter 65 m² über drei Etagen ohne eigene Zentralheizung und einem etwa 20 m² großen Hof/Garten.
Den am 18.07.2003 gestellten Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Ausbildungsförderungsleistungen für den Bewilligungszeitraum Oktober 2003 bis
September 2004 lehnte das Studentenwerk Karlsruhe mit Bescheid vom 27.11.2003/22.01.2004 ab, weil der Betrag des anzurechnenden Vermögens den Gesamtbedarf von 530,–EUR monatlich übersteige.
Die Klägerin legte Widerspruch ein. Zur Begründung machte sie geltend, das Haus sei nach der Auskunft von örtlichen Maklern unverkäuflich, insbesondere wegen des lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauchsrechts zu Gunsten ihrer noch rüstigen Großmutter und der Belastung mit einer Hypothek. Auch die Gewährung eines Darlehens mit dem Haus als Sicherheit sei von Banken abgelehnt worden. Da ihre Eltern nicht leistungsfähig seien und der Vater auch nicht leistungsbereit sei, müsse sie bei Anrechnung dieses rein fiktiven Vermögenswertes ihr Studium abbrechen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2004 wies das Studentenwerk Karlsruhe den Widerspruch zurück. Es führt im Wesentlichen aus, der Zeitwert des Hausgrundstücks belaufe sich nach Angaben der Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung auf 30.677,51 EUR. Ferner habe sie weitere Vermögenswerte i. H. v. 2.500,–EUR angegeben. Somit betrage ihr anrechnungsfähiges Vermögen 31.177,51 EUR (gemeint wohl: 33.177,51 EUR). Der Nießbrauch sei mit einem Wert von 14.827,46 EUR (EUR 30.677,51: 18,6 × 8,990) abzuziehen. Ferner sei die Restschuld i. H. v. 4.380,73 EUR abzuziehen. Es verbleibe somit ein Vermögenswert i. H. v. 13.969,32 EUR, der nach Abzug des Freibetrages gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BAföG i. H. v. 5.200,– EUR auf die 12 Monate des Bewilligungszeitraumes aufzuteilen sei. Somit ergebe sich ein monatlich anzurechnender Betrag von 730,78 EUR. Dieser Betrag übersteige den Gesamtbedarf von 530,–EUR. Zwar könne nach § 29 Abs. 3 BAföG ein weiterer Teil des Vermögens zur Vermeidung unbilliger Härten anrechnungsfrei bleiben. Das der Behörde eingeräumte Ermessen werde aber zu Ungunsten der Klägerin ausgeübt, da ein Ausnahmetatbestand nicht vorliege, ihr die Verwertung des Hauses im Hinblick auf die sparsame Verwendung öffentlicher Mittel zuzumuten sei und es sich nicht um ein „angemessenes Hausgrundstück” im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG a. F. handele. Das Grundstück sei auch nicht aus rechtlichen Gründen unverwertbar.
Am 05.05.2004 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie beantragt,
den Bescheid des Studentenwerks Karlsruhe vom 27.11.2003/22.01.2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 07.04.2004 aufzuheben und das beklagte Studentenwerk zu verpflichten, ihr die beantragte Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt sie vor, ihr Ehemann sei ebenfalls nicht leistungsfähig und erhalte selber Ausbildungsförderung. Sie habe sich von ihrer Großmutter, dem jetzigen Ehemann ihrer Mutter und dessen Eltern zur Finanzierung ihres bisherigen Studiums Geld geliehen; ihre Schulden beliefen sich nunmehr auf ca. 15.200,–EUR und hätten längst beglichen werden müssen, zumal ihre Gläubiger dringenden Eigenbedarf hätten. Ihr ...