Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungsförderung. Vermögen. Wertbestimmung. Sittenwidrigkeit. unbillige Härte
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob ein Grundstück an dem der Auszubildende aufgrund eines (nur) im schuldrechtlichem Teil nichtigen notariellen Vertrags Eigentum erlangt hat, als Vermögen des Auszubildenden anzurechnen ist.
Normenkette
BAföG § 28 Abs. 2-4, § 29 Abs. 3
Verfahrensgang
VG Bremen (Urteil vom 17.12.2002; Aktenzeichen 1 K 1535/02) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen – 1. Kammer – vom 17.12.2002 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides des Landesamts für Ausbildungsförderung vom 30.01.2002 und des Widerspruchsbescheids des Senators für Bildung und Wissenschaft vom 28.06.2002 verpflichtet, der Klägerin Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum August 2001 bis Juni 2002 ohne Anrechnung eigenen Vermögens zu gewähren.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Ausbildungsförderung ohne Anrechnung von Vermögen.
Die 1982 geborene Klägerin schloß eine Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten im Januar 2001 ab.
Mit notariellem Vertrag vom 27.06.2000 erwarb die Klägerin von der im Jahre 1908 geborenen Frau Gesine Anna B. das Hausgrundstück K. Straße, Bremen. Ende 2000 wurde die Klägerin als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.
Vom 13.08.2001 bis Juni 2002 besuchte sie die Klasse 12 der Fachoberschule in der Fachrichtung Wirtschaft mit dem Schwerpunkt Wirtschaftslehre am Schulzentrum des Sekundarbereichs II Utbremen in Bremen.
Am 28.08.2001 beantragte die Klägerin für ihre Ausbildung an der Fachoberschule Ausbildungsförderung. Der Senator für Bildung und Wissenschaft lehnte den Antrag mit Bescheid vom 31.01.2002 ab, weil der Gesamtbetrag des angerechneten Einkommens und Vermögens den Gesamtbedarf decke. Als Vermögen wurde der Wert des Hausgrundstücks K. Straße, Bremen, berücksichtigt.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 05.02.2002 Widerspruch ein. Sie habe ein renovierungsbedürftige Haus für 40.000,00 DM gekauft. Den Hauskauf habe sie durch ein zweckgebundenes Darlehen beim BHW in Höhe von 60.000,00 DM vorfinanziert. Ein Verkauf des Hauses sei mit erheblichen Kosten – wie z. B. Spekulationssteuer – verbunden und sei auch wegen der im Kaufvertrag übernommenen Verpflichtung, der Verkäuferin – im Falle der Wohnungslosigkeit – eine angemessene Wohnung zur Verfügung zu stellen, nicht zu machen. Da sie kein eigenes Einkommen habe, sei sie auf Ausbildungsförderung angewiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2002 wies der Senator für Bildung und Wissenschaft den Widerspruch als unbegründet zurück. Der angefochtene Bescheid sei im Ergebnis rechtmäßig. Nach den Angaben der Klägerin betrage der (tatsächliche) Wert des Hausgrundstückes 147.000,00 DM. Daraus ergebe sich bei Berücksichtigung des sonstigen Guthabens (DM 2.500,–) und der abzugsfähigen Beträge ein monatlich anzurechnendes Vermögen von 3.860,30 Euro. Ein Grund, einen (weiteren) Teil des Vermögens nach § 29 Abs. 3 BAföG zur Vermeidung unbilliger Härten anrechnungsfrei zu lassen, bestehe nicht, da die Klägerin das Haus in der K. Straße nicht selbst bewohne. Da das anzurechnende Vermögen den Gesamtbedarf übersteige, könnten Förderungsleistungen nicht gewährt werden.
Nachdem das Amtsgericht Bremen (Vormundschaftsgericht) im Januar 2001 für Frau B. eine Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge und Sorge um die Gesundheit bestellt hatte, verlangte Frau B., vertreten durch ihre Betreuerin von der Klägerin die Rückauflassung des Grundstücks. Da die Klägerin dazu nicht bereit war, erhob Frau B. im März 2001 Klage vor dem Landgericht Bremen. Mit rechtskräftigem Urteil vom 09.07.2002 (Az.: 8-O-370/01) verurteilte das Landgericht Bremen die Klägerin, die Auflassung zur (Rück-) Übertragung des Grundstücks auf die Verkäuferin zu erklären und deren Eintragung als Eigentümerin im Grundbuch zu bewilligen. Nach dem vom Landgericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen Andreas B. vom 12.08.2001 betrug der Verkehrswert des Hausgrundstücks K. Straße, Bremen am 27.06.2000 DM 147.000,–. Unter Berücksichtigung dieses Gutachtens gelangte das Landgericht zu der Feststellung, dass der notarielle Kaufvertrag vom 27.06.2000 nach § 138 Abs. 1 BGB ex tunc nichtig sei. Es bestehe ein grobes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, weil der Grundstückswert mehr als das Doppelte des Kaufpreises ausmache. Ob die Klägerin (des vorliegenden Verfahrens) sich beim Vertragsschluss des krassen Wertunterschiedes zwischen den wechselseitigen Leistungen bewusst gewesen sei, sei unerheblich. Nach der Rechtsprechung des BGH bilde das objektive Missverhä...