Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 77
Nach § 27 Abs. 1 S. 2 BAföG sind Gegenstände, soweit der Auszubildende sie aus rechtlichen Gründen nicht verwerten kann, von der Verwertung ausgenommen. Verwertung meint nicht nur die Veräußerung, sondern auch die Belastung (z.B. Hypothek, Verpfändung einer Sache oder einer Forderung) eines Gegenstands.
Rz. 78
Davon abzugrenzen ist die faktische bzw. auch die wirtschaftliche Unverwertbarkeit, die nicht hier, sondern im Rahmen der unbilligen Härte gem. § 29 Abs. 3 BAföG berücksichtigt werden kann.
Rz. 79
Ein rechtliches Verwertungshindernis liegt auch dann nicht vor, wenn vertragliche Regelungen oder gesetzliche Bestimmungen eine Verwertung lediglich außerordentlich erschweren, insbesondere zu finanziellen Nachteilen führen, aber nicht objektiv unmöglich machen. Ist die Zugriffsmöglichkeit auf einen Vermögensgegenstand trotz rechtsgeschäftlicher Verfügungsbeschränkung weiterhin objektiv gegeben, ist der Gegenstand angesichts des Grundsatzes der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung nicht durch § 27 Abs. 1 S. 2 BAföG ausgenommen. Ein Sparvermögen, das erst ab einem gewissen Zeitpunkt verfügbar ist, begründet z.B. kein rechtliches Verwertungshindernis, sondern hindert nur temporär die Verwertung.
Rz. 80
Anerkannte Verwertungshindernisse sind
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das gesetzliche Verbot des § 134 BGB; |
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das gesetzliche/behördliche Veräußerungsverbot (§§ 135 ff. BGB); |
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die nicht befreite Vorerbschaft (§ 2136 BGB) hinsichtlich der Substanz; die Erträge gebühren dem Vorerben und sind kein Vermögen, sondern Erträge und als solche ungeschützt; |
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die Dauertestamentsvollstreckung nach § 2209 BGB mit Verwaltungsanordnungen des Erblassers nach § 2216 Abs. 2 BGB. |
Insoweit kann vollinhaltlich auf die Ausführungen zu den rechtlichen Verwertungshindernissen in § 90 Abs. 1 SGB XII und § 33 SGB II verwiesen werden.
Rz. 81
Das Recht der Mündelsicherheit enthält dagegen kein rechtliches Hindernis, Geldvermögen des Mündels für dessen ausbildungsbedingten Bedarf zur Verfügung zu stellen.
Rz. 82
Bausparguthaben sind nicht wegen der besonderen Verwertungsregelungen für Bausparverträge vom Vermögen auszunehmen. Derartige Beschränkungen stellen sich wegen der Möglichkeit der vorzeitigen Auflösung nicht als rechtliche Verwertungshindernisse dar. Soweit mit einer vorzeitigen Verwertung wirtschaftliche Einbußen verbunden sind, kann dem mit einem entsprechenden Abzug vom Wert des Guthabens Rechnung getragen werden.
Rz. 83
Auch ein eingetragenes lebenslanges dingliches Wohnungs- oder ein Nießbrauchsrecht, das auf einer Immobilie lastet, begründet kein rechtliches Verwertungshindernis, weil z.B. das Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) eine Verwertung des Grundvermögens nicht verbietet. Eine Beleihung des Grundstücks ist grundsätzlich möglich. Bei einer eventuellen Zwangsversteigerung im Rahmen einer Erbauseinandersetzung (§ 2042 i.V.m. § 753 Abs. 1 BGB) würde das Wohnungsrecht am Haus zwar bestehen bleiben (§§ 44 Abs. 1, 52 ZVG), die Veräußerung des Grundstücks aber nicht hindern. Nichts anderes gilt für eine Reallast zur Sicherung eines Leibgedings.
Rz. 84
Ebenso wenig begründet die Bindung von Vermögen in einer Gesamthandsgemeinschaft wie z.B. einer ungeteilten Erbengemeinschaft mit und ohne Auseinandersetzungsverbot oder einer Miteigentümergemeinschaft rechtliche Verwertungshindernisse. Ein Miterbe kann nach § 2042 BGB grundsätzlich jederzeit die Auseinandersetzung verlangen oder nach § 2033 BGB über seinen Anteil an dem Nachlass verfügen, insbesondere ihn nach §§ 1273, 1258 BGB als Sicherheit im Rahmen eines Darlehensvertrages verpfänden. Der Beweis, dass der Vermögensanteil nicht als Kreditgrundlage für ein Bankdarlehen mit auf dem Kapitalmarkt üblichen Bedingungen erlangt werden kann, ist zulässig. Auf "moralische Hindernisse" kommt es bei der Auflösung solcher Gemeinschaften ausdrücklich nicht an.
Rz. 85
Für einen Anteil an einer ungeteilten Erbengemeinschaft an einem Dauerwohnrecht hat der VGH München stellvertretend für viele vergleichbare Konstellationen entschieden:
Zitat
"Eine solche objektive rechtliche Unmöglichkeit des Zugriffs der Klägerin auf den Wert ihres Anteils am Dauerwohnrecht besteht jedoch nicht. Zum einen ist es ihr nach § 2033 S. 1 BGB möglich, sofern – worauf der Vortrag der Klägerin hindeutet – die ungeteilte Erbengemeinschaft nur noch in dem Dauerwohnrecht besteht, über ihren noch in der Erbengemeinschaft enthaltenen Anteil an dem Nachlass in Gestalt des Dauerwohnrechts unbeschränkt zu verfügen. … Dass die Abgabe an die nach § 2034 BGB vorkaufsberechtigten Miterben, die nach der klägerischen Behauptung Interesse am Erhalt des Dauerwohnrechts haben, nicht möglich wäre, hat die Klägerin nicht glaubhaft gemacht. Außerdem hat sie nach § 2042 BGB gegenüber den Miterben jederzeit einen Anspruch auf Auseinandersetzung der an dem Dauerwohnrecht noch bestehenden Erbengemeinschaft. Dass dies nach § 2042 Abs. 1, § 2044 Abs. 1 S. 1 BGB durch eine Verfügung des Erblassers ausgeschlo...