Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 93
Der Erbe ist den Nachlassgläubigern bzw. dem Verwalter für die bisherige Verwaltung des Nachlasses so verantwortlich, als hätte er von der Annahme der Erbschaft an die Verwaltung für die Nachlassgläubiger als ein Beauftragter zu führen gehabt (§ 663 BGB ist nicht anzuwenden, es wird so getan, als habe der Erbe mit der Annahme der Erbschaft auch diesen Auftrag der Gläubiger angenommen). Ab der Annahme kann er sich dabei nicht mehr passiv verhalten, sondern muss bei der Verwaltung des Nachlasses die Interessen der Nachlassgläubiger achten. Unter Verwaltung sind alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen zu verstehen, die auf Erhaltung, Nutzung oder Mehrung des Nachlasses gerichtet sind. Dabei ist der Erbe vor allem verpflichtet, den Nachlass im Interesse der Nachlassgläubiger (wertmäßig) zu erhalten.
Hinweis
Entscheidend ist das Interesse der Gesamtheit der Nachlassgläubiger; § 665 BGB ist nicht in Bezug auf Weisungen einzelner anzuwenden. Auch die §§ 671, 672 S. 1, 673 sind nicht anzuwenden.
Rz. 94
Die Ansprüche des Nachlasses gegen den Erben richten sich (i.Ü.) nach §§ 1978 Abs. 1 und 2, 662 ff. BGB:
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Gemäß §§ 1978 Abs. 1 S. 1, 667 Alt. 2 BGB hat der Erbe gezogene Nutzung bzw. Wertersatz hierfür herauszugeben. |
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Im Übrigen hat der Erbe rechtsgeschäftliche Surrogate nach §§ 1978 Abs. 1 S. 1, 667 Alt. 2 BGB in den Nachlass zurückzuführen, wenn er mit dem Willen gehandelt hat, Geschäfte für Rechnung des Nachlasses abzuschließen. |
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Erwirbt der Erbe mit Mitteln des Nachlasses allein für sich selbst, so haftet der Erbe im Falle schuldhafter Verletzung seiner Verwalterpflichten und schuldet Schadensersatz aus §§ 1978 Abs. 1, 280 ff. BGB. |
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Geld, das er aus dem Nachlass entnommen hat, hat er zu erstatten und verschuldensunabhängig zu verzinsen, §§ 1978 Abs. 1, 668 BGB. |
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Hat der Erbe sonstige Nachlassmittel eigennützig verwendet, so muss er diese unter den Voraussetzungen der §§ 1978 Abs. 1 S. 1, 667 Alt. 1, ggf. i.V.m. §§ 280 ff. BGB in den Nachlass zurückführen. |
Hinweis
Verschulden von Gehilfen wie einem Testamentsvollstrecker wird nach §§ 664, 278 BGB zugerechnet.
Rz. 95
Die Verwendung von Nachlassverbindlichkeiten zur Schuldentilgung müssen die Nachlassgläubiger nachlassmindernd gegen sich gelten lassen (es ist also nur der verminderte Nachlass herauszugeben), wenn die Voraussetzungen des § 1979 BGB erfüllt sind. Hierfür genügt es, dass der Erbe annehmen durfte, dass der Nachlass zur Befriedigung aller Nachlassgläubiger ausreicht. Das ist dann der Fall, wenn der Erbe alle Mittel zur Feststellung des Nachlassbestandes bis hin zum Aufgebotsverfahren ausgeschöpft hat und dabei zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Nachlass zulänglich ist. Der Erbe darf also nicht einfach darauf vertrauen, dass der Nachlass zur Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten hinlänglich ist, oder gar die Augen vor den Tatsachen verschließen, sondern ist gehalten, zu prüfen, ob der Nachlass für alle hinreichend ist. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Erbe.
Rz. 96
Eine Fehleinschätzung geht zu Lasten des Erben, er haftet aus §§ 1978 Abs. 1, 280 ff. BGB. Die Haftung geht aber nach h.M. nur soweit, wie vor- und gleichrangige Gläubiger im Nachlassinsolvenzverfahren weniger erhalten, als sie erhalten hätten, wenn die Zahlungen unterblieben wären. Ansprüche aus §§ 280 ff., 1978 BGB bestehen nach h.M. neben Ansprüchen aus Anfechtungsgesetz und §§ 129 ff., 322 InsO.
Hinweis
Eine Haftung aufgrund der Befriedigung einzelner Nachlassgläubiger muss der Erbe also nur dann fürchten, wenn der Nachlass zwar nicht zur Befriedigung aller Nachlassgläubiger hinreichend ist (sonst kein Schaden), er aber auch nicht dürftig ist (denn i.R.v. § 1990 BGB ist der Erbe an keine Reihenfolge bei der Befriedigung der Gläubiger gebunden).