Rz. 19
Unterlässt der Arbeitnehmer die Anzeige einer Nebentätigkeit, ist zunächst danach zu unterscheiden, ob hieraus ein Schaden resultiert oder nicht. Ändert sich durch die Nebenbeschäftigung nichts an der Höhe der Sozialversicherungsbeiträge und tritt keine arbeitszeitrechtliche Sanktion gegen den Arbeitgeber ein, kann die Anzeigepflicht als arbeitsvertraglicher Pflichtverstoß allenfalls Anknüpfungspunkt arbeitsrechtlicher Sanktionen sein (vgl. Rdn 36 ff.).
Rz. 20
Entsteht dem Arbeitgeber jedoch durch das Unterlassen der Anzeige ein materieller Schaden, stellt sich die Frage des Schadensersatzanspruches. Ein solcher materieller Schaden kann entstehen, wenn bei einer geringfügigen Beschäftigung deren Voraussetzungen in Folge der Nebentätigkeit wegfallen. In diesem Fall wird das Arbeitsverhältnis insgesamt sozialversicherungspflichtig. Hieraus resultiert dann die Pflicht des Arbeitgebers nach § 28g SGB IV, den Arbeitnehmeranteil an der Sozialversicherung vom Gehalt einzuhalten. Weiterhin resultiert auch eine Pflicht des Arbeitgebers, seinerseits Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung abzuführen. Da für geringfügig Beschäftigte Pauschalbeiträge an die Minijob-Zentrale gezahlt werden, für sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer aber prozentuale Beiträge an die als Einzugsstellen zuständigen Krankenkassen und die Beitragshöhen darüber hinaus differieren, sind die sozialversicherungspflichtigen Pflichten des Arbeitgebers nicht unabhängig von Status des Arbeitnehmers erfüllt.
Rz. 21
Ein materieller Schaden kann dem Arbeitgeber auch im sozialversicherungspflichtigen Einstiegsbereich entstehen. Da in der früheren Gleitzone die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung nicht nach dem tatsächlichen Gehalt, sondern nach einer errechneten Beitragsbemessungsgrundlage bemessen werden, kann es auch insoweit vorkommen, dass der Arbeitgeber geringere Arbeitnehmerbeiträge einbehält, als dies unter Hinzurechnung der Einkünfte aus der Nebentätigkeit richtig gewesen wäre.
1. Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung
Rz. 22
Dass die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung eine Schadensposition sein können, wird bestritten. Argumentiert wird damit, dass der Arbeitgeber die Arbeitgeberanteile auch bei rechtzeitiger Erfüllung der Anzeigepflicht hätte tragen müssen. Deshalb mangele es an der notwendigen Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Hierbei wird übersehen, dass zwar der Arbeitgeber den Umstand der Sozialversicherungsfreiheit nicht zur Geschäftsgrundlage des Arbeitsvertrages machen kann, er aber sehr wohl die Freiheit hat, einen Arbeitnehmer, den er aufgrund einer existenten Nebenbeschäftigung nicht geringfügig beschäftigen kann, nicht einzustellen. Rein rechtsdogmatisch muss der Arbeitgeber somit argumentieren können, dass er das Arbeitsverhältnis ohne den Verstoß gegen § 28o SGB IV gar nicht begründet hätte.
Rz. 23
Unzutreffend ist es auch, wenn das BAG den Arbeitgeber mit der Darlegungs- und Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität der Pflichtverletzung belastet. Denn richtigerweise ist bei einer Verletzung von Aufklärungspflichten eine Beweislastumkehr vorzunehmen, so dass der Arbeitnehmer zu beweisen hat, dass der Schaden auch bei erfolgter Information eingetreten wäre.
Rz. 24
Ungeachtet dieser rechtsdogmatischen Seite der Problematik wird aber gleichwohl in aller Regel kein ersatzfähiger Schaden entstanden sein. Denn unzweifelhaft, weil ja Argumentationsgrundlage, wird jedenfalls die Bereitschaft des Arbeitgebers sein, eine geringfügige Beschäftigung zu begründen. Da die pauschalen Beiträge für die geringfügige Beschäftigung außerhalb von privaten Haushalten mittlerweile unter Ausnahme der steuerrechtlichen Komponente 28 % betragen (13 % Pauschalbeitrag Krankenversicherung; 15 % Pauschalbeitrag Rentenversicherung), der durchschnittliche Gesamtsozialversicherungsbeitrag jedoch nur 44 % beträgt, ist die hypothetische Belastung des Arbeitgebers in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis mit 28 % ohne Steuer ohnehin höher als sie dies in dem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis dann tatsächlich war (Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag ca. 22 %).
2. Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung
Rz. 25
Kommt es dazu, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer geringfügig oder im Bereich des sozialversicherungspflichtigen Einstiegsbereichs beschäftigt, ohne hierbei Kenntnis über eine Zweitbeschäftigung zu haben, werden unter den Voraussetzungen der Zusammenrechnung beide Beschäftigungsverhältnisse voll sozialversicherungspflichtig. In der Konsequenz führt der Arbeitgeber zu wenig Sozialversicherungsbeiträge ab. Im Falle der geringfügigen Beschäftigung handelt es sich bei dem Fehlbetrag um den gesamten Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung. Im Falle der Gleitzone handelt es sich hierbei um die Differenz zwischen dem nach dem Beitragsbemessungsbetrag berechneten Arbeitnehmerbeitrag und dem vollen Arbeitnehmer...