Rz. 96
Miteigentümer, die ihr Teileigentum gewerblich nutzen (sei es in Eigennutzung, sei es durch Vermietung an einen Gewerbetreibenden), erwarten vom WEG-Verwalter häufig eine Jahresabrechnung, die ihnen den Vorsteuerabzug ermöglicht. Das ist im Prinzip möglich: Denn die hier interessierenden umsatzsteuerpflichtigen Leistungen (Heizung, Handwerker, Verwalter) werden von der Gemeinschaft gegenüber den Miteigentümern erbracht, sodass die Gemeinschaft im Ausgangspunkt eine (Ab-)Rechnung mit Umsatzsteuerausweis stellen kann bzw. müsste. Das Umsatzsteuergesetz sieht in seinem § 4 Nr. 13 UStG aber ausdrücklich eine Ausnahme für Wohnungseigentümergemeinschaften vor, weshalb das Recht und die Pflicht zum Umsatzsteuerausweis erst dann entsteht, wenn die Gemeinschaft auf die Steuerfreiheit verzichtet (§ 9 UStG), also zur Umsatzsteuer optiert, wobei die Option auf gewerblich genutzte Flächen beschränkt werden kann. Eine solche Optionsausübung ist Gemeinschaften mit gewerblichen Einheiten grundsätzlich zu empfehlen. Allerdings steht diese Empfehlung – wie sämtliche mit der Umsatzsteuer zusammenhängenden Aussagen – in besonderer Weise unter dem Vorbehalt künftiger Änderung, nachdem der EuGH mit Urt. v. 17.12.2020 die in § 4 Nr. 13 UStG vorgesehene Umsatzsteuerbefreiung für unionsrechtswidrig erklärt hat. Solange die hiesige Finanzverwaltung das Umsatzsteuergesetz aber nicht ändert, bleibt das Urteil bis auf weiteres ohne praktische Folgen.
Rz. 97
Muster 8.4: Beschluss über Option zur Umsatzsteuer in gemischt genutztem Objekt
Muster 8.4: Beschluss über Option zur Umsatzsteuer in gemischt genutztem Objekt
Die Wohnungseigentümergemeinschaft verzichtet auf die Umsatzsteuerbefreiung für ihre Lieferungen und Leistungen, die sie an solche Miteigentümer erbringt, die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Die betreffenden Miteigentümer haben ihre Vorsteuerabzugsberechtigung dem Verwalter unverzüglich in Textform anzuzeigen, ebenso Änderungen bei der Abzugsberechtigung. Die den Vorsteuerabzug nutzenden Miteigentümer haben die übrigen Miteigentümer, die entweder nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind oder ihrerseits nicht auf die Steuerbefreiung ihrer Vermietungsumsätze verzichtet haben, von eventuellen Mehrkosten und einer eventuellen Haftung auf die Steuerschulden infolge der Umsatzsteueroption freizustellen.
Rz. 98
Der Nachteil besteht in einem gewissen Verwaltungsaufwand: Der Verwalter muss Umsatzsteuerjahresmeldungen beim Finanzamt einreichen (worauf die Finanzämter allerdings oft verzichten) und die Umsatzsteuer in den Einzelabrechnungen der "gewerblichen" Miteigentümer ausweisen. Vorauszahlungen nach dem Wirtschaftsplan sind hingegen umsatzsteuerfrei, da es sich nicht um Rechnungen im Sinne des UStG handelt und Abschlagszahlungen nicht einer Umsatzsteuerpflicht unterliegen. Der Aufwand ist aber im Verhältnis zum Nutzen gering und kann (wie im vorstehenden Muster vorgeschlagen) gem. § 16 Abs. 2 S. 2 WEG den "begünstigten" Miteigentümern auferlegt werden. Allem Vorteil zum Trotz zeigt die Praxis, dass Finanzämtern und Steuerberatern das Thema immer noch reichlich fremd ist.