Rz. 39
Beispiel
Wohnungseigentümer V muss laut Wirtschaftsplan im Jahr 2021 monatlich 250,00 EUR Hausgeld (Vorschüsse nach dem Wirtschaftsplan) bezahlen. Seit Mai 2021 (einschließlich) zahlt er kein Hausgeld mehr. Außerdem hat er den Nachschuss gemäß der im April 2021 beschlossenen Jahresabrechnung für 2020 i.H.v. 500,00 EUR nicht bezahlt. Am 20.6.2021 verkauft V seine Wohnung an A. Als Zeitpunkt für den Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten wird im Kaufvertrag der 1.7.2021 vereinbart. Am 20.7.2021 wird A im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. A beginnt erst im September mit den Hausgeldzahlungen. Die im März 2022 beschlossene Einzelabrechnung 2021 endet mit einem Nachschuss von 600,00 EUR. Variante: Die Einzelabrechnung endet mit einem Guthaben von 600,00 EUR. – Wer muss wie viel bezahlen?
Rz. 40
A muss den Nachschuss 2021 und seine eigenen Beitragsrückstände bezahlen. Seine Pflicht zur Zahlung der Vorschüsse (Hausgeld) entstand (sofern Zahlungen auf den Wirtschaftsplan wie üblich in monatlichen Raten zu leisten waren) mit dem nächsten auf den Eigentumswechsel folgenden Fälligkeitstermin (Fälligkeitstheorie (→ § 8 Rdn 34), im Beispielsfall also im August 2021. A muss also den Vorschuss für August i.H.v. 250,00 EUR noch bezahlen; Anspruchsgrundlage ist der Wirtschaftsplan 2021. A kann sich auch nicht darauf berufen, er habe keine Zahlungsaufforderung von der Verwaltung erhalten und nicht gewusst, wohin und wie viel zu zahlen sei; denn um die Beschaffung dieser Informationen muss er sich schon selbst kümmern. A haftet hingegen nicht für die Beitragsrückstände des Voreigentümers V (sofern die Gemeinschaftsordnung nichts anderes vorsieht (→ § 8 Rdn 42). Rückstände aus früheren Jahresabrechnungen (im Beispiel: 2020) können schon grundsätzlich nicht nochmals mitbeschlossen werden (→ § 8 Rdn 33) und erst recht nicht im Falle eines Eigentümerwechsels zu Lasten des Erwerbers (im Beispiel: A). Sie brauchen in der Einzelabrechnung nicht einmal informatorisch mitgeteilt werden, weil sie den A nicht mehr und nicht weniger angehen als die übrigen Eigentümer. Die Rückstände sind vielmehr im Vermögensbericht anzugeben. Würde A aufgrund einer missverständlichen Jahresabrechnung versehentlich Beitragsrückstände seines Voreigentümers V bezahlen, könnte er nach Bereicherungsrecht von der Gemeinschaft die Rückzahlung verlangen.
Rz. 41
V muss die Vorschüsse für die Zeit seiner Eigentümerstellung bezahlen, also nicht nur die Monate Mai bis Juli, sondern auch den Monat Juli – obwohl den Juli-Vorschuss nach der Regelung des Kaufvertrags der A hätte bezahlen müssen. Die Regelung im Kaufvertrag hat nämlich nur für den internen Ausgleich zwischen V und A Bedeutung, nicht für die Zahlungspflicht gegenüber der Gemeinschaft. Die Gemeinschaft kann die Beitragsrückstände des V ungeachtet seines Ausscheidens aus der Eigentümergemeinschaft gegen ihn gerichtlich geltend machen. Anspruchsgrundlage ist der Wirtschaftsplan für das Jahr 2021, denn der Beschluss über die Jahresabrechnung ersetzte die mit dem Wirtschaftsplan begründeten Zahlungspflichten nicht (→ § 8 Rdn 20).
Rz. 42
Die Teilungserklärung kann eine Haftung des A für Beitragsrückstände des Voreigentümers V vorsehen (vereinbarte Erwerberhaftung). Eine solche Regelung gilt nur bei einem rechtsgeschäftlichen, nicht aber bei einem Erwerb aus der Zwangsversteigerung. Sie muss gem. § 7 Abs. 3 S. 2 WEG zum Schutz von Erwerbern ausdrücklich im Grundbuch eingetragen sein. Weil diese Vorgabe erst mit der WEG-Reform 2020 ins Gesetz kam, existieren entsprechende ausdrückliche Grundbucheintragungen bislang nicht. Es gib deshalb eine Übergangsregelung (§ 48 Abs. 3 S. 1 WEG), wonach die vereinbarte Erwerberhaftung bis zum 31.12.2025 auch ohne ausdrückliche Grundbucheintragung gilt. Bis dahin kann eine Gemeinschaft beschließen, die Haftungsregelung zur Grundbucheintragung zu bringen; wegen des Verfahrens wird auf die Ausführungen zu den die Gemeinschaftsordnung ändernden "Altbeschlüsse" verwiesen (→ § 2 Rdn 104). Anders als bei den "Altbeschlüssen", die Rechte einzelner Miteigentümer begründen, gibt es bei der Erwerberhaftung aber keinen Anspruch darauf, dass die Grundbucheintragung beschlossen wird.
Rz. 43
Eine dingliche Erwerberhaftung gibt es nach Auffassung des BGH nicht. Eine solche Haftung wurde von einer überzeugenden Auffassung in der Literatur aus der Privilegierung der Hausgeldansprüche in der Rangklasse 2 des § 10 ZVG abgeleitet: Die privilegierten Hausgeldrückstände wurden als eine auf dem Wohnungseigentum ruhende dingliche Last betrachtet (→ § 9 Rdn 90). Leider hat der Gesetzgeber diese Sichtweise im Zuge der WEG-Reform 2020 nicht aufgegriffen, weshalb die BGH-Rspr. bis auf weiteres maßgeblich bleibt. In vielen Fällen wird im praktischen Ergebnis aber doch eine Art "Erwerberhaftung" herauskommen: Denn, wenn ein Zwangsversteigerungsverfahren wegen Hausgeldrückständen einmal eingeleitet wurde, wird es durch eine Veräußerung nicht berührt; das Verfahren kann gegen den Erwerber...