Rz. 167
Wenn die Ansätze des Wirtschaftsplanes unrichtig waren oder durch neue Tatsachen überholt wurden, kann als Nachtrag zum Jahreswirtschaftsplan eine Sonderumlage beschlossen werden.
Beispiel
Die Durchführung von Sanierungsarbeiten ist teurer als geplant. Oder: Im Haus tritt plötzlich ein Wasserschaden auf. Die Durch- bzw. Fortführung der erforderlichen Arbeiten muss beschlossen und finanziert werden.
Rz. 168
Häufiger wird eine Sonderumlage aber nicht als Nachtrag, sondern als Ergänzung eines zeitgleich beschlossenen "regulären" Wirtschaftsplans zur Finanzierung außergewöhnlicher größerer Ausgaben beschlossen, die keineswegs auf einem unvorhergesehenen Ereignis beruhen. Die Gemeinschaft ist nicht verpflichtet, vorrangig (ganz oder teilweise) auf die Rücklage zuzugreifen (→ § 8 Rdn 110).
Beispiel
Größere Sanierungsarbeiten oder die Einleitung eines Rechtsstreits gegen den Bauträger wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums stehen an.
Rz. 169
Die Sonderumlage verdeutlich in diesem Fall den "außerordentlichen Charakter" der betreffenden Ausgaben und ermöglicht es außerdem, die aufgebrachten Mittel der Instandhaltungsrücklage zuzuführen und die beschlossene Maßnahme aus dieser zu finanzieren; das vermeidet bei jahresübergreifenden Maßnahmen die ansonsten drohende Rückzahlung der am Jahresende (noch) nicht verbrauchten Mittel (→ § 8 Rdn 175). Schon aus diesem Grund ist der Beschluss einer Sonderumlage neben dem Wirtschaftsplan m.E. rechtmäßig; der BGH bejahte sogar mehrfach einen Anspruch auf Beschluss einer Sonderumlage zur Finanzierung außergewöhnlicher Baumaßnahmen. Das ist richtig, widerspricht aber (unausgesprochen) der eingangs (→ § 8 Rdn 167) erwähnten Vorgabe, wonach eine Sonderumlage einen "Nachtrag" darstellen müsste.
Rz. 170
Eine Sonderumlage kommt auch zur Schaffung von Liquidität in Betracht, um Einnahmeausfälle infolge von Zahlungsrückständen einzelner Eigentümer auszugleichen (Liquiditätssonderumlage). "Gibt es Zahlungsausfälle bei Wohnungseigentümern, müssen die daraus resultierenden Fehlbeträge … wenn sich eine Finanzierungslücke während des laufenden Wirtschaftsjahrs auftut, durch eine Sonderumlage ausgeglichen werden". Eine solche Sonderumlage ist nicht nur dann ordnungsmäßig, wenn der Zahlungsausfall bereits eingetreten ist (typischer Fall: über das Vermögen eines Miteigentümers wurde das Insolvenzverfahren eröffnet → § 12 Rdn 73), sondern auch schon dann, wenn seine Zahlungsunfähigkeit abzusehen ist.
Rz. 171
Die Rechtmäßigkeit der Sonderumlage hängt nicht davon ab, ob die zu finanzierenden Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen oder nicht; es kommt nur darauf an, ob bzw. dass ein Finanzbedarf besteht. Im Übrigen gelten dieselben Regeln wie für den Wirtschaftsplan. Demnach muss der Beschluss zunächst den Gesamtbetrag (die Höhe) der Sonderumlage festlegen. Dieser Betrag ist am geschätzten Finanzbedarf auszurichten; bei der Prognose steht den Wohnungseigentümern ein weiter Ermessungsspielraum zu. Sind einzelne Miteigentümer bekanntermaßen zahlungsunfähig, dürfen (oder besser: müssen) die zu erwartenden Zahlungsausfälle berücksichtigt und ist die Sonderumlage entsprechend höher anzusetzen; das gilt erst recht bei der vorerwähnten Liquiditätssonderumlage. Der Beschluss kann nicht teilweise mit der Begründung angefochten werden, dass die Sonderumlage zu hoch angesetzt und herabzusetzen sei; er kann nur entweder ganz oder gar nicht angefochten (und für ungültig erklärt) werden.
Rz. 172
Der Umlageschlüssel sollte ausdrücklich mit beschlossen werden, auch wenn der BGH – überraschend "großzügig" – einen Beschluss für wirksam hielt, der lediglich lautete: "Eine Sonderumlage von 60.000 EUR wird beschlossen." Die anteilige Beitragsverpflichtung der einzelnen Miteigentümer muss ebenfalls nicht unbedingt betragsmäßig ausgewiesen und beschlossen werden, weil und soweit sie jeder Miteigentümer aus dem Gesamtbetrag der Sonderumlage in Verbindung mit dem Verteilungsschlüssel selber ausrechnen kann. Anders ist es nur, wenn der allgemeine Verteilerschlüssel aus bestimmten Gründen nicht zur Anwendung kommt (und deswegen das "selber ausrechnen" nicht ohne weiteres funktioniert); dann muss bei der Beschlussfassung mindestens auf eine vorliegende Aufstellung Bezug genommen werden, in der die Zahlungspflichten der Wohnungseigentümer einzeln aufgeführt sind. In jedem Fall ist es sinnvoll, wenn der Verwalter im Beschluss angewiesen wird, die anteiligen Zahlungen auf die Sonderumlage bei den Miteigentümern anzufordern und per Lastschrift einzuziehen; dann muss niemand seinen Anteil selber ausrechnen.
Rz. 173
Welcher Umlageschlüssel zu verwenden ist, hängt davon ab, zu welchem Zweck die Sonderumlage erhoben wird. Wie beim Beschluss des Wirtschaftsplans ist auch hier der für die geplante Ausgabe geltende Umlageschlüssel anzuwenden. "Unschärfen" sind hinzunehmen, wenn der "richtige" Umlageschlüssel zum Zeitpunkt des Beschlusses über die Sonderumlage noch nicht fe...