Dr. Michael Nugel, Sebastian Gutt
Rz. 173
Von der Rechtsprechung wird für eine Abrechnung auf Neuwagenbasis zudem gefordert, dass bei einem fabrikneuen Fahrzeug eine erhebliche Beschädigung vorliegen muss. Einigkeit besteht insoweit, dass die Erheblichkeit einer Beschädigung nicht in erster Linie anhand der Schwere des eingetretenen Unfallschadens, sondern anhand des Zustands zu beurteilen ist, in dem sich das Fahrzeug nach einer fachgerechten Reparatur befinden würde. Dabei ist eine erhebliche Beschädigung zu verneinen, wenn der Unfall lediglich Fahrzeugteile betroffen hat, die im Rahmen einer fachgerecht durchgeführten Reparatur spurenlos ausgewechselt werden können, und die Funktionstüchtigkeit und die Sicherheitseigenschaften des Fahrzeugs, insbesondere die Karosseriesteifigkeit und das Deformationsverhalten nicht beeinträchtigt sind (wie beispielsweise bei der Beschädigung von Anbauteilen wie Türen, Scheiben, Stoßstangen, etc.). Für den Geschädigten ist die Lage dagegen günstig, wenn sicherheitsrelevante Fahrzeugteile betroffen sind bzw. zumindest die Fahrzeugstruktur angegriffen worden ist – wie z.B. bei einem Schaden an der sog. A-, B- oder C-Säule des Fahrzeugs. Bei Beschädigung eines fabrikneuen Pkw, der vor weniger als einem Monat zugelassen wurde und eine Laufleistung von weniger als 1.000 km aufweist, muss sich ein Geschädigter jedenfalls nicht auf die Reparaturkostenabrechnung in Verbindung mit der Erstattung einer Wertminderung verweisen lassen, wenn es sich um einen Schaden handelt, der sich nicht durch bloßes Auswechseln von Teilen folgenlos beseitigen lässt. Erst bei einer Laufleistung von mehr als 1.000km zum Unfallzeitpunkt wäre zu fordern, dass sicherheitsrelevante Fahrzeugteile betroffen sein müssen.
Rz. 174
Unter Umständen kann nach dieser Ansicht daher auch bei geringeren Schadensfolgen bei einem absolut neuwertigen Fahrzeug eine Abrechnung auf Neuwagenbasis in Betracht kommen – so z.B. bei einem absolut neuwertigen Fahrzeug, welches nur 15 Tage alt gewesen ist und lediglich 412 km gefahren wurde und bei dem lediglich das Heckabschlussblech beschädigt worden ist. Das OLG Oldenburg vertritt sogar die Auffassung, von einem erheblichen Schaden sei immer dann auszugehen, wenn an dem Unfallfahrzeug Lackierarbeiten vorgenommen werden müssten, da in diesem Fall das Risiko späterer Farbabweichungen oder Farbveränderungen bestehe. Diese Auffassung ist allerdings nicht unumstritten: Nach Ansicht des OLG Düsseldorf stehen nach dem heutigen Stand der Technik sowohl für eine Neuteillackierung als auch für eine Neulackierung in Form der Reparaturlackierung Lacke zur Verfügung, die auch bei einer Zweischicht-Metalliclackierung optisch einwandfreie Ergebnisse mit optimaler Farbtongenauigkeit gewährleisten, so dass das Zurückbleiben von Schönheitsfehlern praktisch ausgeschlossen sein soll.
Rz. 175
Im Übrigen liegt ein erheblicher Schaden, der eine Abrechnung auf Neuwagenbasis bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen rechtfertigt, grundsätzlich auch dann vor, wenn infolge der Unfallbeschädigungen die bei einem Neufahrzeug besonders geschätzten Gewährsansprüche wenigstens beweismäßig gefährdet erscheinen. Dies ergibt sich hier jedoch nicht schon ohne weiteres aus der Art und dem Umfang der vorliegenden Schäden; der Umstand, dass die Reparatur unproblematisch erscheint, spricht eher gegen eine solche Annahme.
Rz. 176
Muster 8.49: Erheblicher Fahrzeugschaden bei Beschädigung tragender Fahrzeugteile
Muster 8.49: Erheblicher Fahrzeugschaden bei Beschädigung tragender Fahrzeugteile
Bei einer Abrechnung auf Neuwagenbasis ist die Erheblichkeit einer Beschädigung nicht in erster Linie anhand der Schwere des eingetretenen Unfallschadens, sondern anhand des Zustands zu beurteilen, in dem sich das Fahrzeug nach einer fachgerechten Reparatur befinden würde (BGH, Urt. v. 9.6.2009 – VI ZR 210/08 = NJW 2009, 3022; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.3.2009 – 1 U 58/08 = SP 2009, 368). Eine erhebliche Beschädigung wird in aller Regel zumindest dann anzunehmen sein, wenn beim Unfall tragende oder sicherheitsrelevante Teile, insbesondere das Fahrzeugchassis oder die Tragekonstruktion (vgl. dazu OLG Stuttgart, Urt. v. 21.12.2017 – 2 U 136/17 – juris), beschädigt wurden und die fachgerechte Instandsetzung nicht völlig unerhebliche Richt- oder Schweißarbeiten am Fahrzeug erfordert. Denn durch derartige Arbeiten wird in erheblicher Weise in das Gefüge des Fahrzeugs eingegriffen (BGH a.a.O.). Auch ein festgestellter nicht unerheblicher merkantiler Minderwert spricht dafür, dass dem Geschädigten bei einem neuwertigen Fahrzeug eine Reparatur nicht zuzumuten ist (OLG Oldenburg, Urt. v. 21.5.1997 – 4 U 5/97 = MDR 1997, 734). Entscheidend ist im Übrigen, dass es sich um einen Schaden handelt, der sich nicht durch bloßes Auswechseln von Teilen folgenlos beseitigen lässt (OLG Nürnberg, Urt. v. 15.8.2008 – 5 U 29/08 = DAR 2009, 37).
Hier hat der beauftragte Sachverständige einen merkantilen Minderwert in Höhe von _______________________...