Rz. 113
Dem Gesetzeswortlaut des § 251 Abs. 2 BGB ist nicht zu entnehmen, ob in den Fällen eines technischen oder wirtschaftlichen Totalschadens der Geschädigte gleichermaßen "fiktiv" den Wiederbeschaffungsaufwand einschließlich der im Gutachten angeführten Mehrwertsteuer erhält oder ob die Mehrwertsteuer lediglich dann zu erstatten ist, wenn sie tatsächlich angefallen ist. Diese Grundsatzfrage hat der BGH dahingehend entschieden, dass er die Fälle des Totalschadens in Bezug auf die Erstattungsfähigkeit der Mehrwertsteuer ebenso behandelt wie die Fälle der Naturalrestitution. Diese Gleichsetzung bedeutet Folgendes:
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So hat der Geschädigte auch im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens einen Anspruch auf Ersatz von Umsatzsteuer nur dann, wenn diese tatsächlich angefallen ist. Unabhängig davon kann er den Wiederbeschaffungsaufwand rein fiktiv ohne weitere Nachweise abrechnen. Wenn bei dem Erwerb eines vergleichbaren Fahrzeuges mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Mehrwertsteuer anfallen würde, kann der Geschädigte diese jedoch bei einer fiktiven Abrechnung nicht erhalten. |
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Erwirbt der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zu einem Preis, der dem in einem Sachverständigengutachten ausgewiesenen (Brutto-) Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs entspricht oder diesen übersteigt, kann er im Wege konkreter Schadensabrechnung die Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe des (Brutto-) Wiederbeschaffungswertes des unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs – unter Abzug des Restwertes – ersetzt verlangen. Auf die Frage, ob und in welcher Höhe in dem im Gutachten ausgewiesenen (Brutto-) Wiederbeschaffungswert Umsatzsteuer enthalten ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. |
Rz. 114
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Muster 8.30: Nachforderung der Mehrwertsteuer bei Ersatzbeschaffung als volle Re-Investition
Zwischenzeitlich hat meine Mandantschaft ein Ersatzfahrzeug angeschafft. Der entsprechende Rechnungsbeleg wird als Anlage beigefügt und weist einen Kaufpreis in Höhe von _________________________ EUR aus, welcher den Wiederbeschaffungswert des verunfallten Pkw erreicht. Meine Mandantschaft kann daher im Wege konkreter Schadensabrechnung die Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe des (Brutto-) Wiederbeschaffungswertes des unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs – unter Abzug des Restwertes – ersetzt verlangen (vgl. nur BGH, Urt. v. 1.3.2005 – VI ZR 91/04 = NJW 2005, 2220). Auf die Frage, ob und in welcher Höhe in dem im Gutachten ausgewiesenen (Brutto-) Wiederbeschaffungswert Umsatzsteuer enthalten ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (BGH a.a.O.), wenn wie hier der Fall einer konkreten Ersatzbeschaffung vorliegt, bei welcher der Wiederbeschaffungswert des Pkw meines Mandanten bei der Ersatzbeschaffung in voller Höhe erreicht und re-investiert wird.
Der somit als Höchstgrenze im Gutachten ausgewiesene Betrag des Wiederbeschaffungswerts liegt bei _________________________ EUR. Bisher wurden lediglich _________________________ EUR abgerechnet. Unter Anrechnung des Restwerts des Restwertes in Höhe von _________________________ EUR verbleibt eine Differenz in Höhe von _________________________ EUR.
Rz. 115
Es stellt sich des Weiteren die Frage, ob der Geschädigte auf Basis des Wiederbeschaffungsaufwandes abrechnen darf, jedoch dabei die konkret angefallene Mehrwertsteuer über eine durchgeführte Reparatur nachweist. Wählt der Geschädigte aber den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, kann er den Ersatz von Umsatzsteuer nicht verlangen. Dies gilt auch dann, wenn im Rahmen einer durchgeführten Reparatur tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist. Eine Kombination fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig.
Rz. 116
Festzuhalten ist daher, dass der Geschädigte den konkret angefallenen Mehrwertsteuerbetrag bei einer rein fiktiven Abrechnung nicht ersetzt erhält, wenn er ein deutlich günstigeres Ersatzfahrzeug ankauft.
Beispiel
Der Wiederbeschaffungswert beträgt 10.000 EUR (netto). Der Geschädigte kauft jedoch ein kleines günstigeres Ersatzfahrzeug für 5.000 EUR zzgl. 950 EUR MwSt. Er erhält gerade nicht 10.000 EUR als Wiederbeschaffungswert (netto) zzgl. der tatsächlich angefallenen MwSt. von 950 EUR, sondern muss sich zwischen der fiktiven Abrechnung mit 10.000 EUR oder der konkreten mit den deutlich geringeren 5.950 EUR entscheiden.