Dr. Michael Nugel, Sebastian Gutt
Rz. 248
Der Geschädigte hat den Sachverständigen jedenfalls über Vorschäden zu informieren, sofern diese nicht offensichtlich erkennbar sind oder im bloßen Bagatellbereich liegen. Verschweigt der Geschädigte mehrere erhebliche Vorschäden, die beispielsweise den Wiederbeschaffungswert beeinflussen, sind die Gutachterkosten nicht zu ersetzen. Das Verschweigen ist dem Geschädigten nachzuweisen, wobei eine fahrlässige Fehlinformation des Sachverständigen über das Vorhandensein von Vorschäden genügt. Vergibt der Geschädigte den Auftrag zur Begutachtung an einen nicht öffentlich bestellten Sachverständigen, wird in der Rechtsprechung sogar vertreten, dass allein hierin ein Auswahlverschulden liegen kann und der Geschädigte die Gutachterkosten nicht erstattet erhält.
Rz. 249
Muster 8.64: Fehlende Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten bei verschwiegenem Vorschaden
Muster 8.64: Fehlende Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten bei verschwiegenem Vorschaden
Die Sachverständigenkosten sind nicht zu ersetzen, da das Gutachten aufgrund eines eigenen Fehlverhaltens des Geschädigten für die Schadensregulierung unbrauchbar ist. Der Geschädigte hat den Sachverständigen jedenfalls über Vorschäden zu informieren, sofern diese nicht offensichtlich erkennbar sind oder im bloßen Bagatellbereich liegen. Verschweigt der Geschädigte einen erheblichen Vorschäden, sind die Gutachterkosten für das deshalb objektiv für die Schadenregulierung unbrauchbare Gutachten nicht zu ersetzen (vgl. OLG Köln, Urt. v. 23.2.2012 – 7 U 134/11 – juris und KG, Hinweisbeschl. v. 12.12.2011 – 22 U 151/11 – juris; OLG Düsseldorf DAR 2006, 324 und LG Berlin SP 2006, 76).
Rz. 250
Ein weiteres Problem kann sich ergeben, wenn die neutrale Stellung des Sachverständigen fraglich ist. Ein Sachverständigengutachten soll als Regulierungsgrundlage verwendet werden können. Die dafür erforderliche objektive Schadensermittlung ist in Frage gestellt, wenn der Sachverständige ein erkennbares Interesse daran hat, den Schaden so hoch wie nur möglich zu bestimmen. Daher ist der Schädiger nicht verpflichtet, Gutachterkosten eines Sachverständigen zu erstatten, wenn dieser Zugleich Inhaber oder Mitinhaber der die Reparatur ausführenden Werkstatt ist. Auch hier gilt aber, dass der Geschädigte sich dies nur entgegenhalten lassen muss, wenn er hiervon erwiesenermaßen Kenntnis gehabt hat. Fehlt es an dieser Kenntnis kann der Geschädigte die Erstattung der Gutachterkosten lediglich Zug um Zug gegen Abtretung seines Rückforderungsanspruchs verlangen.
Rz. 251
Exkurs: Nachbesichtigungsrecht des Versicherers
Streitig ist, ob ein Anspruch auf Ausgleich der Sachverständigenkosten ausscheidet, wenn der Geschädigte eine Nachbesichtigung des Unfallfahrzeugs durch einen vom Schädiger beauftragten Sachverständigen verhindert. Das ist grundsätzlich nicht der Fall – mit einer Ausnahme: Ein Anspruch des Kfz-Haftpflichtversicherers auf Nachbesichtigung soll bei einem "Verdacht auf betrügerische Geltendmachung von Unfallschäden" bestehen. Im Übrigen ist ein Anspruch auf Nachbesichtigung abzulehnen. Der Anspruch des gegnerischen Haftpflichtversicherers folgt insbesondere nicht aus § 119 VVG, da das VVG ausschließlich zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer gilt und der Geschädigte nicht "Dritter" im Sinne der Vorschrift ist. Der Versicherer wird jedoch seine Regulierung verweigern, sollte ihm kein Nachbesichtigungsrecht eingeräumt werden. Damit ist dem Mandanten nicht geholfen. Aus taktischen Gründen kann es daher sinnvoll sein, die Besichtigung zu gewähren und eine eventuelle Differenz auf Grundlage des "eigenen" Gutachtens im Anschluss einzuklagen. Dann hat der Mandant i.d.R. zumindest schon einen Teil des Schadensersatzes durch den Versicherer erstattet bekommen und die Not dürfte nicht mehr ganz so groß sein.
Rz. 252
Muster 8.65: Aufklärung Mandant Nachbesichtigung
Muster 8.65: Aufklärung Mandant Nachbesichtigung
Sehr geehrter Herr _________________________,
mit beigefügtem Schreiben teilt der Versicherer mit, dass er das Fahrzeug gerne nachbesichtigen würde.
Nach diesseitiger Auffassung besteht ein solches Nachbesichtigungsrecht nicht. Sie haben den Schaden an Ihrem Fahrzeug begutachten lassen. Das Gutachten ist dem Versicherer nebst Fotos zur Verfügung gestellt worden. Schon aus diesem Grund ist eine Nachbesichtigung nicht erforderlich. Gestützt wird diese Auffassung auch durch die Rechtsprechung (LG München I, zfs 1991, 123; LG Kleve zfs 1999, 239).
Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass der Versicherer sehr wahrscheinlich nicht zahlen wird, sollte ihm die Nachbesichtigung nicht gewährt werden. Dann müsste Klage erhoben werden.
Zu empfehlen ist daher, die Nachbesichtigung – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – zu gewähren und eine etwaige Differenz zu dem von Ihnen eingeholten Gutachten im Nachgang klageweise geltend zu machen. In diesem Fall ist es sehr wahrscheinlich, dass der Versicherer zumindest einen Teil der ermittelten Reparaturkos...