Muss die Versicherung ein Sachverständigengutachten für ein beschädigtes E-Bike bezahlen?
Ein Fahrer eines Elektrobikes kollidierte mit einem Auto. Dass der Autofahrer an dem Unfall die Alleinschuld trug, war unstrittig. Entsprechend ersetzte der Haftpflichtversicherer des Autofahrers den Schaden an dem 2799 EUR teuren Elektrobike und zahlte Schmerzensgeld. Die Kosten für ein Sachverständigengutachten und für den Kauf eines neuen Helms wollte die Versicherung aber nicht übernehmen. Deshalb ging die Sache vor Gericht.
Versicherung muss Gutachterkosten und neuen Helm bezahlen
Das Amtsgericht Ansbach entschied gegen die Versicherung. Sie muss für die Gutachterkosten ebenso aufkommen wir für die Anschaffung eines neuen Fahrradhelmes. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch den klagenden E-Bike-Fahrer sei nicht zu beanstanden, so das Gericht. Das Unfallopfer habe nicht gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen. Schließlich habe das E-Bike einen erheblichen Wert gehabt, von einem Verstoß gegen eine Bagatellgrenze könne schon aus diesem Grund keine Rede sein.
Totalschaden des E-Bikes nicht offensichtlich
Das Gericht widersprach auch der Argumentation des Versicherers, dass das Gutachten überflüssig gewesen sei, weil der Totalstanden sowieso offensichtlich gewesen sei. Für einen Laien sei nicht zwingend erkennbar gewesen, dass der Schaden am Fahrrad, der vor allem am Vorderrad sichtbar war, als Totalschaden qualifiziert werden könne.
Autosachverständiger mit Zusatzausbildung qualifiziert genug
Der Hinweis der Versicherung, der Sachverständige sei als Kfz-Gutachter nicht genügend qualifiziert, verfing vor Gericht ebenfalls nicht. Es gebe keine Ausbildung zum Fahrradsachverständigen, sondern nur Weiterbildungen. Eine solche könne der hinzugezogene Sachverständige vorweisen.
Auch am Gutachten selbst sei nichts auszusetzen. Es entspreche einem üblichen Kraftfahrzeuggutachten, dessen Grundsätze auch für ein E-Bike herangezogen werden könnten.
Versicherung muss Kosten für neuen Fahrradhelm übernehmen – keine Kürzung „neu für alt“
Die Versicherung muss zudem die Kosten für einen neuen Fahrradhelm übernehmen. Ein Abzug „neu für alt“ sei nicht zulässig. Hintergrund dieses gesetzlich nicht geregelten Abzugs bei beschädigten gebrauchten Sachen sei, dass der Geschädigte im Rahmen der §§ 249 ff BGB so gestellt werden soll, als sei das zum Schadenersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten.
Ein Abzug „neu für alt“ setze daher voraus, dass eine wirtschaftlich günstige Vermögensmehrung für den Geschädigten eintrete und dass der Abzug für ihn zumutbar sei.
Kauf eines gebrauchten Fahrradhelms nicht zumutbar
Es könne nicht verlangt werden, dass sich der Fahrradfahrer einen gebrauchten Helm kaufe, so das Gericht. Zum einen sei es fraglich, ob überhaupt ein Gebrauchtwarenmarkt für Fahrradhelme existiere. Zum anderen könne nicht verlangt werden, dass der Radler einen gebrauchten Helm zu kaufen, der von einer ihm unbekannten Person getragen wurde.
Ein Fahrradhelm diene dem Schutz des Kopfes vor den Folgen eines schwerwiegenden Unfalls. Bei einem gebrauchten Helm könne nicht sichergestellt werden, dass dieser, ohne dass dies äußerlich erkennbar ist – nicht bereits aufgrund eines Sturzes vorgeschädigt sei und damit seine Schutzfunktion nicht mehr erfülle.
(AG Ansbach, Urteil v. 3.11.2021, 1 C 571/21).
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