Dr. Michael Nugel, Sebastian Gutt
Rz. 253
Die Einholung eines Kostenvoranschlags bietet sich an, wenn
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nicht feststeht, ob dem Geschädigten ein Mitverschulden oder eine Mitverursachung des Verkehrsunfalls zur Last gelegt wird und der gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherer nicht zur Einholung eines Gutachtens bereit ist oder |
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die voraussichtlichen Reparaturkosten weniger als 500, ggf. 700 EUR betragen. |
Wird ein Kostenvoranschlag erstellt, berechnet die Reparaturwerkstatt in aller Regel pauschale Beträge in Höhe von 20 bis 70 EUR. In Ausnahmefällen werden für Kostenvoranschläge auch bis zu 10 % des Reparaturkostenbetrags berechnet. In Rechtsprechung und Literatur wird kontrovers diskutiert, ob diese Kosten vom Schädiger zu ersetzen sind. Eine ältere Auffassung in der Rechtsprechung stellt auf die gesetzliche Wertung des § 632 Abs. 3 BGB ab, wonach ein Kostenvoranschlag i.d.R. kostenfrei erstellt wird und lehnt eine Erstattungsfähigkeit ab. Gerade hierauf weisen Versicherer regelmäßig hin, wenn neben der durchgeführten Reparatur die Kosten für den Kostenvoranschlag gesondert geltend gemacht werden. Zu erkennen ist, dass mitunter viele Werkstätten argumentieren, die Erstellung des Kostenvoranschlags stelle eine zusätzliche Arbeit dar, welche nicht in der eigentlichen Reparatur Berücksichtigung finden könne. Das sollte sich der Anwalt indes schriftlich seitens der Werkstatt bestätigen lassen und die Bestätigung an den Versicherer weiterleiten.
Rz. 254
Muster 8.66: Schreiben an die Werkstatt zwecks Kostenvoranschlags:
Muster 8.66: Schreiben an die Werkstatt zwecks Kostenvoranschlags:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir vertreten Ihren Kunden _________________________ anlässlich des Ihnen bekannten Verkehrsunfalls.
Sie haben hinsichtlich der zu erwartenden Reparaturkosten einen Kostenvoranschlag erstellt und hierfür unserem Mandanten 50,00 EUR netto in Rechnung gestellt.
Der Versicherer vertritt die Auffassung, dass die Kosten für den Kostenvoranschlag bei späterer Reparatur in Ihrem Hause mit den Reparaturkosten verrechnet würden.
Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie kurz mitteilen könnten, ob dem tatsächlich so ist oder aber die Kosten separat und unabhängig von der Reparatur erhoben werden.
Mit freundlichem Gruß
(Rechtsanwalt)
Rz. 255
Muster 8.67: Ablehnung der Kosten für einen Kostenvoranschlag
Muster 8.67: Ablehnung der Kosten für einen Kostenvoranschlag
Der von der Klägerseite verlangte Kostenvoranschlag ist nicht zu erstatten (vgl. auch LG Aachen zfs 1983, 292 ff.; AG Berlin, Urt. v. 18.10.2011 – 109 C 3278/10, SP 2012, 185). Dies insbesondere, da ein solcher Voranschlag üblicherweise unentgeltlich erfolgt (vgl. § 632 Abs. 3 BGB). Der Kostenvoranschlag stellt jedenfalls aus Sicht der ihn ausstellenden Werkstatt lediglich eine "Schutzgebühr" dar und wird bei einer Reparatur angerechnet (AG Berlin-Mitte, Urt. v. 18.10.2011 – 109 C 3278/10 – juris; AG Prüm, Urt. v. 13.1.1993 – 6 C 604/92 = zfs 1993, 337). So liegt der Fall auch hier.
Rz. 256
Diese Auffassung vermag allerdings weniger zu überzeugen. Dem Geschädigten steht es frei, ob er sein Fahrzeug tatsächlich repariert. Zumindest wenn der Fahrzeugschaden derart gering ist, dass ein Gutachten mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden wäre, bleibt ihm keine andere Wahl, als den Schaden über einen Kostenvoranschlag zu beziffern.
Rz. 257
Muster 8.68: Erstattungsfähige Aufwendungen für einen Kostenvoranschlag
Muster 8.68: Erstattungsfähige Aufwendungen für einen Kostenvoranschlag
Die Aufwendungen für den vorliegenden Kostenvoranschlag sind als erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 BGB anzusehen und zu erstatten (Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 249 Rn 58). Dem Geschädigten ist es grundsätzlich erlaubt, seinen Schaden auf fiktiver Basis abzurechnen. Bereits aus diesem Grund sind die für einen Kostenvoranschlag aufgewendeten Kosten erstattungsfähig. Würde man in Bezug auf den Geschädigten die Erstattung der dabei anfallenden Aufwendungen ablehnen, so würde dies dazu führen, dass der Geschädigte bei einem Schaden unterhalb der Bagatellgrenze entweder nicht auf fiktiver Basis abrechnen könnte oder bei Abrechnung auf fiktiver Basis einen Teil seines Schadens, nämlich die für den Voranschlag verauslagten Kosten, nicht ersetzt bekäme. Das würde aber Sinn und Zweck des § 249 BGB zuwiderlaufen, wonach bei dem Geschädigten aus dem schädigenden Ereignis kein wirtschaftlicher Nachteil verbleiben soll (LG Hildesheim, Urt. v. 4.9.2009 – 7 S 107/09 = DAR 2009, 651). Daher ist es in der Rechtsprechung auch anerkannt, dass die hiermit verbundenen Aufwendungen ersetzt werden, zumal in der Praxis ein solcher Kostenvoranschlag angesichts des mit seiner Erstellung verbundenen Aufwandes i.d.R. vergütet wird (Beispielhaft: LG Hildesheim, Urt. v. 4.9.2009 – 7 S 107/09 = DAR 2009, 651; AG Köln SP 2007, 62; AG Neuss SP 2006, 174; AG Gelsenkirchen, Urt. v. 27.9.2009 – 32 C 230/09 – juris; AG Essen, Urt. v. 17.8.2005 – Az. 29 C 170/05 – juris; AG Weilheim, Urt. v. 7.3.2008 – 9 C 001/07 – juris).