Rz. 430
Die Beauftragung eines Anwaltes ist adäquate Schadensfolge, d.h. der Geschädigte hat stets das Recht, sich bei der Schadensregulierung von Anfang an anwaltlicher Hilfe zu bedienen. Die durch den Auftrag entstandenen Kosten sind daher stets zu erstatten (BGH VersR 1970, 41). Es bedarf keiner vorherigen Inverzugsetzung seitens des Geschädigten gegenüber dem Schädiger oder dessen Versicherer (OLG Hamm zfs 2008, 587 = NZV 2008, 521; OLG Frankfurt DAR 2015, 236).
Rz. 431
Ausnahmen können jedoch bei Bagatellschäden (unter 500 EUR) gelten: Nur dann, wenn die Haftungsquote von vornherein kein Thema ist und wenn auch der Schaden nach Art und Umfang für jeden ganz klar ist, dann muss der Geschädigte für das erste Schreiben an den Versicherer auf anwaltliche Unterstützung verzichten (BGH NJW 1995, 446 für "einfach gelagerte Routinefälle" eines Autobahnbetriebsamts aufgrund von Beschädigungen der Leitplanken/Verkehrszeichen). Dies gilt aber nur ganz ausnahmsweise (Hildebrand, NJW 1995, 1944; Schneider, in: Berz/Burmann, Kap. 5 C Rn 82) und allein dann, wenn der Versicherer daraufhin sofort und ohne Abstriche reguliert.
Rz. 432
Tipp
Bei Bagatellschäden bis etwa 500 EUR Schadensvolumen und wirklich von vornherein eindeutig klarer Sachlage (in der Praxis wohl kaum vorkommender Ausnahmefall) sollte der Mandant das erste Schreiben an den Versicherer inkl. Spezifikation selbst anfertigen und versenden. Erst wenn der Versicherer nicht innerhalb gesetzter angemessener Fristen oder nicht vollständig reguliert, sind die Anwaltskosten ersetzbar.
Rz. 433
Wird die Regulierung eines einfach gelagerten Schadensfalls jedoch durch den Haftpflichtversicherer verzögert, ist trotz der Zweifelsfrage, ob die Beauftragung eines Rechtsanwaltes ohne die Verzögerung erforderlich und die hierdurch entstandenen Kosten ersatzfähig sind, von der Erforderlichkeit allein aufgrund der Verzögerung auszugehen (AG Oldenburg zfs 1999, 288). Für die Fälle des Verzuges des Schuldners hat der BGH jüngst (BGH v. 17.9.2015 – IX ZR 280/14 – zfs 2016, 44) nicht nur bestätigt, dass generell – d.h. nicht nur bei der Verkehrsunfallregulierung – auch in rechtlich einfach gelagerten Fällen die Beauftragung eines Rechtsanwalts zweckmäßig und erforderlich ist, sondern darüber hinaus auch, dass das Mandat im Regelfall nicht auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt zu werden braucht, so dass generell auch die Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG vom Schuldner zu erstatten ist.
Rz. 434
Auch wenn die Haftung des Schädigers unstreitig ist, darf der Geschädigte einen Rechtsanwalt mit der Schadensabwicklung beauftragen, wenn der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer nicht von vornherein bereit sind, ihre Einstandspflicht anzuerkennen (AG Gießen zfs 1999, 306). Das ist auch dann von Bedeutung, wenn bei Bagatellschäden der Schädiger zunächst an Ort und Stelle sein Alleinverschulden einräumt und Zahlung des Schadens "aus eigener Tasche" zusichert, sich dann aber angesichts der nachgewiesenen Höhe "quer stellt".
Rz. 435
Selbst bei rechtzeitiger Zahlung des Haftpflichtversicherers des Schädigers an Zessionare verstößt der Geschädigte nicht gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn ihm nicht bekannt war, dass der Versicherer des Schädigers die sicherungshalber abgetretene Forderung bereits erfüllt hat (AG Erfurt zfs 1999, 487).
Rz. 436
Soweit nur mittelbar geschädigte Dritte Schadensersatzansprüche (aus übergegangenem oder abgetretenem Recht) geltend machen, ist Inverzugsetzung zwingende Voraussetzung für die Erstattung von Anwaltskosten.
Rz. 437
Das gilt insbesondere bei Ansprüchen des Arbeitgebers aus Entgeltfortzahlung an den verletzungsbedingt ausgefallenen Arbeitnehmer nach § 6 EFZG (anderer Auffassung hierzu AG Köln zfs 1982, 300: Der Arbeitgeber darf sich auch ohne Verzug des Schädigers anwaltlicher Hilfe bedienen).
Bei Leasingfirmen und Mietwagenunternehmen kann nicht generell davon ausgegangen werden, dass die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich ist (BGH v. 29.10.2019 – VI ZR 45/19 – zfs 2020, 164 = r+s 2020, 112).