Rz. 243
Das Wichtigste vorweg: Nutzungsausfall ist nach ständiger Rechtsprechung niemals fiktiv zu beanspruchen, sondern nur bei tatsächlichem Ausfall des Fahrzeugs (BGH NJW 1976, 1396; OLG Frankfurt a.M. r+s 2017, 664; KG NZV 2018, 580). Bei Abrechnung auf fiktiver Reparaturkostenbasis ist also so lange kein Nutzungsausfall zu zahlen, wie die Reparatur bzw. der Totalschadensfall nicht nachgewiesen ist, weil das Fahrzeug ggf. sogar noch in unfallbeschädigtem Zustand weiter benutzt wird.
a) Art und Umfang der potenziellen Nutzung
Rz. 244
Allerdings braucht der Geschädigte nicht etwa nachzuweisen, ob, in welchem Umfange und zu welchem Zweck er sein unfallbeschädigtes Fahrzeug tatsächlich benutzt hätte. Es genügt der Nachweis, dass das Fahrzeug ohne das Unfallereignis zur Verfügung und Benutzung gestanden hätte. Anders als bei den Mietwagenkosten kommt es also nicht darauf an, in welchem Umfang der Geschädigte laut Tachostand durchschnittlich auf die Nutzung seines Fahrzeugs zurückgreift. Ersatz wird nämlich ausschließlich für die – ggf. auch nur theoretische – ständige Verfügbarkeit des Fahrzeugs geleistet. Gerade dann, wenn die Anmietung eines Ersatzwagens wegen geringer Fahrleistung als nicht erforderlich anzusehen ist, steht dem Geschädigten regelmäßig eine Nutzungsausfallentschädigung zu (OLG Hamm NZV 2018, 381).
Rz. 245
Für Nutzungsmöglichkeit und Nutzungswille spricht der Beweis des ersten Anscheins (OLG Celle VersR 1973, 718), dazu vgl. die Ausführungen oben (siehe Rdn 50).
b) Nutzungsausfallnachweise
Rz. 246
Der Nutzungsausfall und seine Dauer müssen stets nachgewiesen werden. Es ist also nicht zu beanstanden, wenn die Versicherer darauf bestehen, einen solchen tatsächlichen Nutzungsausfallnachweis beizubringen und bis dahin die Zahlung von Nutzungsausfall (ebenso wie von Mietwagenkosten) verweigern.
Rz. 247
Jedoch kann der Beweis für die Dauer des Nutzungsausfalls, d.h. die Unmöglichkeit der Fahrzeugnutzung, durch jedes geeignete Beweismittel (Zeugenbeweis, Vernehmung des Geschädigten als Beweisführer gem. § 287 Abs. 1 S. 3 ZPO) erbracht werden.
aa) Bei Werkstattreparatur
Rz. 248
Bei durchgeführter Reparatur kann dieser Nachweis entweder durch die Rechnung oder durch eine isolierte Bescheinigung der Werkstatt über die Dauer der Reparatur – Reparaturdauerbescheinigung – geführt werden.
bb) Bei Eigenreparatur
Rz. 249
Grundsätzlich kann der Geschädigte auch bei durchgeführter Eigenreparatur Nutzungsausfall für die Dauer der in dem Sachverständigengutachten ausgewiesenen erforderlichen Reparaturzeit verlangen (AG Gelnhausen zfs 1996, 336; a.A. OLG Frankfurt a.M. r+s 2017, 664: Auch Schätzung unmöglich, wenn nicht einmal dargetan wird, welche Arbeiten tatsächlich ausgeführt worden sind).
Rz. 250
Problematisch ist allerdings der Beweis der Selbstreparatur durch den Geschädigten: Entweder legt er eine Bescheinigung etwaiger Mithelfer oder von Familienangehörigen über die Reparaturdauer vor oder er fertigt ein Foto (LG Oldenburg DAR 1993, 437) an, welches das Fahrzeug in repariertem Zustand zeigt (zum Nachweis der Aktualität des Fotos sollte eine auffällige Tageszeitung mit abgebildet sein). In Betracht kommt auch die Vernehmung des Geschädigten als Beweisführer gem. § 287 Abs. 1 S. 3 ZPO.
Rz. 251
Wenn das Fahrzeug von einem Sachverständigen besichtigt worden ist, kann es nach erfolgter Reparatur dort wieder vorgeführt werden; der Sachverständige stellt dann über die Nachbesichtigung eine entsprechende Reparaturbescheinigung aus. Deren Kosten hat der Versicherer des Schädigers dann zu tragen, wenn der Geschädigte einen solchen Nachweis für die Geltendmachung seines Nutzungsausfallschadens benötigt (AG Aachen NZV 2006, 45), z.B. weil ein Foto als Nachweis vom Versicherer nicht akzeptiert wird; jedenfalls dann, wenn der Versicherer sie angefordert hat (OLG Frankfurt a.M. r+s 2017, 664). Problematisch kann allerdings sein, wenn die Reparaturbescheinigung des Sachverständigen weder Angaben zum konkreten Reparaturzeitraum noch über die tatsächlich ausgeführten Arbeiten enthält, weil sie dann nach einem Teil der Rechtsprechung als Nachweis für den konkreten Ausfallzeitraum und damit die Zuerkennung eines Nutzungsausfallschadens nicht genügt (OLG Frankfurt a.M. r+s 2017, 664; OLG München r+s 2014, 369; OLG Frankfurt a.M. NZV 2010, 525).
Auch eine neuere Entscheidung des BGH (v. 24.1.2017 – VI ZR 146/16 – VersR 2017, 440) beschäftigt sich mit den Kosten einer Reparaturbescheinigung. Obwohl die Erstattungsfähigkeit im dortigen Fall zum Zwecke des späteren Nachweises einer ordnungsgemäßen Reparatur bei einem späteren Verkauf oder weiteren Unfallschaden verneint wurde, äußerte sich der BGH dahingehend, dass die Erstattungsfähigkeit z.B. zum Zwecke der Abrechnung eines Nutzungsausfallschadens durchaus in Betracht käme.
Rz. 252
Verfügt der gegnerische Versicherer über einen Schadenschnelldienst, kann das Fahrzeug auch dort vorgeführt werden.
cc) Bei Totalschaden
Rz. 253
Im Totalschadensfall ist der Nutzungsausfall bereits aus der Natur der Sache heraus gegeben: Ein – zumindest technisch – total beschädigtes Fahrzeug ist nicht zu benutzen. Beim wirtschaftlichen Totalschade...