Rz. 115
Zur Einführung soll als Beispiel für die Intensität, mit der gewaltsam wirtschaftliche Interessen durchgesetzt werden, ein kurzer historischer Überblick gegeben werden:
Rz. 116
Zum 31.10.1992 hatte der damalige "HUK-Verband" das bis dahin gültige, seit Jahren erfolgreich praktizierte Mietwagenabkommen mit den Autovermietern, wonach bei Anmietung eines um eine Preisgruppe niedrigeren Mietfahrzeugs und Anwendung der Mietwagenpreistabelle auf den Abzug ersparter Eigenkosten verzichtet wurde, gekündigt. Damit wurde eine Prozesslawine in noch nicht dagewesenem Ausmaß ausgelöst. Seinerzeit sollen fast 150.000 Mietwagenprozesse bei deutschen Gerichten anhängig gewesen sein, und man sprach sogar von einem regelrechten "Mietwagenkrieg".
Rz. 117
Problematisch war von Anfang an die Einseitigkeit der damaligen "HUK-Empfehlung 1.11.1992" bzw. später des "Preistableaus 15.4.1993". Sie führte zu dem Vorwurf des "Preisdiktates" des HUK-Verbandes gegenüber den wirtschaftlich schwächeren Mietwagenunternehmen. Durch Beschluss des Bundeskartellamtes vom 22.6.1993 wurde die "HUK-Empfehlung 1.11.1992" als "wettbewerbswidrig" aufgehoben und die sofortige Vollziehung des Kartellamtsbeschlusses verfügt.
Rz. 118
Das Kammergericht hatte dann in einem Beschl. v. 16.7.1993 (Az.: Kart 11/93) die Anordnung der sofortigen Vollziehung wieder aufgehoben und vertrat die Auffassung, das öffentliche Interesse oder die überwiegenden Interessen der Beteiligten geböten i.S.d. § 63a Abs. 1 GWB a.F. diese Anordnung nicht.
Rz. 119
Jedenfalls gelten diese alten und bewährten Vereinbarungen nicht mehr. An die Stelle des "Mietwagenabkommens" ist eine unübersehbare Zahl von bilateralen Einzelvereinbarungen getreten, die kein Anwalt mehr überblicken kann.
Rz. 120
Infolge der nachstehend beschriebenen neuen Rechtsprechung des BGH (vgl. unten Rdn 137 ff.) zu dem Ersatz von Mietwagenkosten haben die Versicherer jetzt ihre eigenen Mietwagenpreise regelrecht "erfunden". Was unter dem Begriff des "ortsüblichen Mietwagenpreisniveaus" zu verstehen ist, bestimmen die Versicherer. Denn überprüfen kann das außergerichtlich niemand, es bleibt also in der Regel nichts anderes übrig, als diese Fragen im gerichtlichen Verfahren durch ein Sachverständigengutachten klären zu lassen. Das führt zu einer gigantischen Mehrbelastung der Gerichte infolge dadurch bedingter Prozessflut. Somit entsteht ein enormer volkswirtschaftlicher Schaden nur deshalb, weil es der Versicherungswirtschaft um ihre eigenen wirtschaftlichen Vorteile geht, die gnadenlos durchgeboxt werden. Dabei funktionierte das damalige Mitwagenabkommen vollkommen reibungslos und erfreute sich der einhelligen Akzeptanz aller Beteiligten.