Rz. 183
Nachvollziehbar ist sicherlich das Bestreben, deutlich überhöhten Mietwagenpreisen im Unfallersatzgeschäft entgegenzuwirken, die allein deshalb durchsetzbar sind, weil der Mieter als Vertragspartner letztlich nicht persönlich dafür aufzukommen hat. Allerdings rechtfertigt es dieser Anlass nicht, die Streitigkeiten auf dem Rücken des Geschädigten auszutragen.
Rz. 184
Problematisch ist insoweit bereits die Annahme des BGH, der Geschädigte trage grundsätzlich auch für die erforderliche Höhe der Mietwagenkosten gem. § 249 BGB die Darlegungs- und Beweislast. Näher hätte es gelegen, bei zunächst unzweifelhaft adäquat kausal allein durch den Unfall tatsächlich entstandenen Mietwagenkosten die Angemessenheit der Kosten allein im Rahmen der Schadensminderungspflicht des § 254 BGB zu problematisieren. Dann würde der Schädiger grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür tragen, dass der Geschädigte schuldhaft und vermeidbar überhöhte Kosten verursacht hat. Die BGH-Rechtsprechung führt demgegenüber für den schuldlos in einen Unfall verwickelten Geschädigten zu erheblichen Risiken, seinen Schaden nicht vollständig ersetzt zu erhalten.
Rz. 185
Durch die neuere Rechtsprechung hat der BGH die einstmals im Jahre 1996 scheinbar geklärte Frage der Erstattung von Mietwagenkosten wieder zur Diskussion gestellt und damit eine neue Prozesswelle veranlasst. Leider ist dadurch eine Entfernung von der in der Praxis so dringend benötigten Eindeutigkeit der Klärung der Mietwagenfrage eingetreten. Die Auseinandersetzung um die Frage der Ersatzfähigkeit des Unfallersatztarifs ist lediglich in andere Bahnen gelenkt worden; eine nachhaltige und absehbare Lösung ist wieder in die Ferne entschwunden (Reitenspiess, Anmerkung zu BGH DAR 2005, 76 ff.).
Rz. 186
Es fragt sich daher, ob der BGH sich und den am Schadensfall Beteiligten damit einen Gefallen getan hat, dass er die klare Regelung aus dem Jahre 1996 jetzt wieder aufgeweicht hat. Die damalige Abwicklungstechnik (vgl. Rdn 137 ff.) hatte nämlich ihren guten Grund:
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Zum einen kann nicht unterstellt werden, dass dem Geschädigten bei der Anmietung des Ersatzfahrzeugs die Tarifstrukturen überhaupt bekannt sind oder hätten bekannt werden können. Auch die vom BGH zur Rechtfertigung herangezogene Annahme, aufgrund der "kontroversen Diskussion und der neueren Rechtsprechung" müssten sich dem Geschädigten Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifs aufdrängen (vgl. z.B. BGH VersR 2005, 850), erscheint alles andere als lebensnah. |
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Bei dem ihm unterbreiteten Angebot eines Unfallersatztarifs wird der Geschädigte zum anderen regelmäßig davon ausgehen, dass dieser Tarif auf die speziellen Bedürfnisse nach einem Unfall zugeschnitten ist und ihm deshalb auch erstattet wird, sodass dessen Annahme nicht vorwerfbar ist (OLG Düsseldorf NZV 2000, 366 ff.). Ohne Nachweis einer allgemeinen Kenntnis der hier bestehenden Unterschiede in den Tarifstrukturen wird dem Geschädigten kein Vorwurf zu machen sein. |
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Daraus folgt, dass der Geschädigte nicht vorwerfbar seine Schadensminderungspflicht verletzt. Es gilt auch hier die subjektbezogene Betrachtungsweise, sodass es allein auf die Erkenntnis- und Verhaltensmöglichkeiten des Geschädigten ankommt. Die neue Rechtsprechung des BGH zu dieser Frage könnte also durchaus einen Bruch mit diesem Rechtsgrundsatz darstellen, je nachdem, wie der BGH diese Frage zukünftig weiterbehandelt. |
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Schließlich steht regelmäßig nicht fest, dass der Autovermieter in Kenntnis des Unfallereignisses ein Ersatzfahrzeug zum Normaltarif überhaupt vermieten wird (vgl. zu allen vier Punkten Diehl, Anmerkung zu BGH zfs 2005, 78 f.). |
Rz. 187
Erfreulich ist, dass der BGH inzwischen die für die Praxis nicht zu bewältigende und vom Aufwand in keinem Verhältnis zum Streitgegenstand stehende Klärung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung des konkreten Tarifs durch Sachverständigengutachten zugunsten der für die Praxis einzig praktikablen Lösung eines pauschalen Zuschlags aufgegeben hat (vgl. oben Rdn 181).
Rz. 188
Ein gewisser "Trost" mag für den Geschädigten auch in der inzwischen vom BGH bestätigten Aufklärungspflicht des Vermieters bei Vereinbarung eines Unfallersatztarifs liegen (vgl. oben Rdn 167 ff.).
Rz. 189
Dennoch bleiben gerade im Dreiecksverhältnis zwischen dem Vermieter als Vertragspartner und dem erstattungspflichtigen Versicherer dem Geschädigten erhebliche Rechtsunsicherheiten und daraus resultierende Prozessrisiken mit ggf. erforderlicher Streitverkündung etc. Es ist nicht einzusehen, dass der schuldlos in einen Unfall verwickelte Verkehrsteilnehmer mit einem derartigen Abwicklungsaufwand und entsprechenden Risiken belastet wird.